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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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bestätigen Sie.«
    »Ich bin damit einverstanden«, sagt Reid mit
nachdrücklicher Förmlichkeit, »dass der Fall Reid
gegen Tamara Hunter und Streitpartner, vertreten durch den
Rechtshilfeservice der Unsichtbaren Hand und/oder sie selbst dem
Gerichtshof im Fünften Viertel zur Entscheidung zum
frühest möglichen beiden Parteien genehmen Zeitpunkt
vorgelegt wird.«
    »Ich ebenfalls«, sagt Tamara.
    Das IBM-System wiederholt, was sie gesagt haben.
    »Und in der Zwischenzeit keine Greifaktionen
mehr?«, fragt Tamara argwöhnisch.
    »Selbstverständlich nicht«, sagt Reid. Er
schenkt ihr ein Lächeln, das ungeachtet der Umstände
und gegen ihren Willen eine leichte Röte auf ihre Wangen
zaubert. »Bis vor Gericht, Lady.«
    Als das Fenster verschwindet, sieht Tamara gerade noch, wie
der schwarze Biomech sich dem Fänger entwindet, sich in den
Kanal fallen lässt und mit kräftigen
Schwanzschlägen davonschwimmt.
     
    »Also gut«, sagte Jay-Dub. »Wie du willst.
Mir wird schon etwas einfallen.« Er blieb an der Kreuzung
von Pier und Straße stehen. »Aber bevor wir
losrennen, möchte ich ein paar Vorschläge
machen.«
    Wilde blieb stehen und blickte sich um. »Ja?«
    »Besorg dir eine Waffe«, sagte Jay-Dub. »Und
bessere Kleidung. Du siehst aus, als wärst du gerade aus der
Wüste gekommen. Übrigens, wenn du zum Treffpunkt der
Abolitionisten willst, mit dem Boot geht es schneller.«
    »Da ist was dran«, meinte Wilde.
    Eine Stunde später war er bekleidet mit einem weiten
schwarzen Jackett, Hemd und Hose, alles aus einem warmen Stoff
gefertigt, der Messerstichen garantiert standhalten würde,
und studierte, in einer vollen vaporetta sitzend, eine
große Automatik aus Metall. Die anderen, zumeist jungen
Passagiere schenkten ihm erfreulich wenig Beachtung. Wilde
saß oben an der Reling, schaute sich die Szenen am Ufer an
und lauschte mit gespitzten Ohren auf das Slangenglisch der
Mitfahrer. Jay-Dub hatte die Gliedmaßen eingezogen und lag
wie ein Koffer zu seinen Füßen. Abgesehen vom
Steuermann, einem massiven Cyberbrocken im Bug, war er der
einzige Robot an Bord.
    Streichnetze an den Bootsseiten zogen auf den Wellen auf und
ab hüpfende Plastikbälle aus dem Wasser und
schleuderten sie mit einem klappernden Geräusch in ein Fach
unterhalb des Decks. Das Boot ließ den kommerziellen Trubel
des Steinkanals hinter sich und durchfuhr eine Abfolge von
Tunneln und schmalen Kanälen mit hohen Einfassungen. Hier,
inmitten der feuchten grünen Algen an den Wänden, sah
man kleinere Bälle. Sie bewegten sich ganz langsam nach
unten, doch man konnte ihren Weg vorausberechnen; je näher
dem Wasser sie kamen, desto größer wurden sie, bis sie
schließlich abfielen und davontrieben. Wilde verzichtete
darauf, die Maschine nach dem ökonomischen Zweck und dem
ökologischen Hintergrund dieses bioindustriellen Prozesses
zu fragen.
    Sie erreichten ihr Ziel nach vierzigminütiger Fahrtzeit.
Das Boot legte mit spotzendem Motor und wirbelnden Schrauben an
einem kleinen Steg an, von dem eine schmale Treppe zur
Uferstraße hochführte. Das einzige menschliche
Besatzungsmitglied, ein Mann, der bislang nur das Fahrgeld
kassiert hatte, öffnete die Augen und winkte.
    »Circle Square, zweihundert Meter!«,
verkündete er und legte eine kurze Gangway auf die Treppe.
Wilde achtete darauf, das Boot als letzter zu verlassen. Er
lächelte den Bootsmann an.
    »Sie sind ein kasachischer Grieche«, sagte er.
    Der Mann machte große Augen. Er ergriff Wildes Hand und
sagte etwas in einer anderen Sprache.
    »Wir haben einen weiten Weg hinter uns«, meinte
Wilde.
    »Wie ich Freundschaften schließe und Einfluss
gewinne«, höhnte Jay-Dub in gedämpftem Ton, als
sie oben angelangt waren. »Immer noch der alte Agitator,
hab ich Recht?«
     
    Etwa dreißig Personen gingen die Straße entlang,
in ein paar Metern Abstand gefolgt von Wilde und dem Robot. Vor
ihnen erreichte die Flohmarktinsel des Circle Square
allmählich ihre gewohnte Lautstärke. Die Fahrbahn war
gesäumt von kleinen Straßencafés und
Verkaufsständen, dazwischen führten Gassen zu noch
kleineren Läden, die ihre Waren in Fenstern und
Hauseingängen feilboten.
    Sie waren noch ein paar Schritte von der Mündung einer
solchen Gasse entfernt, an deren gegenüberliegender Ecke von
mehreren gefährlich kleinen Tischen Kaffee in entsprechend
winzigen Tassen getrunken wurde, als Jay-Dub auf einmal in
scharfem Ton »Stop!«

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