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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Problem mit der tapferen IRA. Und dann bissen
sie ins Gras und schmissen alles hin wie die verdammten
Stalinisten.«
    »Aber du wolltest doch immer was Besseres
als…«
    Er starrte in sein Glas. »Trotzdem trat ich weiterhin
für die Arbeiterstaaten ein. Und dann kippten sie alle um
wie… wie Dominosteine! Ich bin jedenfalls nicht der
Deserteur. Ich meine, meine Leute haben kapituliert,
stimmt’s? Und deshalb kann ich auch tun, was ich
will.«
    Die Glocke forderte zu den letzten Bestellungen auf. Reid
leerte lachend sein Glas. »Noch mal das Gleiche?«
    »Ja, bitte.«
    Er kam mit zwei Pints und zwei Gläsern Whisky
zurück. Der Whisky war teilweise für den weiteren
Verlauf des Abends verantwortlich.
    »Also, was hast du dazu zu sagen?«, fragte er.
    »Proscht… Okay, okay. Du hast gesagt, du
hättest die Armeen der Gegenseite bewundert, stimmt’s?
Also, wie steht’s mit der Friedensbewegung, häh? Mit
den Atomwaffengegnern?«
    Friedensbewegung, Atomwaffengegner… irgendetwas nagte
an mir.
    »Taktik. Die Kommunisten waren wahrscheinlich
aufrichtig, so seltsam das klingt, aber was uns betraf, so
betrachteten wir die Arbeit der Atomwaffengegner als
Störmaßnahme im Sinne der Russkies.«
    »Kein Scheiß?«
    »Kein Scheiß.«
    »Tja«, meinte ich, bestürzt über sein
unverschämtes Eingeständnis, »ich muss sagen,
dein frisch gebackener Patriotismus weist eine verdächtige
Schattierung auf, denn er hat dich von einer fehlgeleiteten
Ansicht zum genauen Gegenteil geführt, was in Wirklichkeit
wiederum das Gleiche ist…«
    »Blödsinn. Ich bin kein Patriot. Ich sage
bloß, wir leben in einer gefährlichen Welt, und ich
habe nicht die Absicht, so zu tun, als wüsste ich nicht,
wessen Waffen meine Sicherheit gewährleisten.«
    »Und was ist mit den Leuten, die auf der anderen Seite
hinter den Waffen stehen?«
    »Pech. Ich bin jedenfalls froh, auf dieser Seite zu
sein. Verglichen mit dem Rest der Welt ist das die Seite des
Fortschritts. Wir befinden uns im Lager der
Revolution.«
    »Erklär das mal.«
    »Weil deine spinnerten amerikanischen
Freihandelsanhänger Recht haben – die westlichen
Demokratien sind in Wahrheit sozialistisch! Ein großer
öffentlicher Sektor, Großkonzerne, welche die
Produktion planen, während offiziell alles über den
Markt geregelt wird… eine Art schwarzer Plan,
vergleichbar dem früheren Schwarzmarkt des Ostens. Marx hat
gesagt, das allgemeine Wahlrecht bedeute die Herrschaft der
Arbeiterklasse, und er hatte Recht. Der Westen ist
rot!«
    Ich musste lachen, nicht bloß über die
Kühnheit von Reids Rationalisierungen, sondern auch
über das Körnchen Wahrheit, das darin enthalten war.
Wir erforschten diese Theorie weiter, als wir zur Road Bridge
hochstiefelten.
    »Mist«, sagte Reid, als er auf den Busfahrplan
sah, »wir haben ihn verpasst. Die privaten Busunternehmen
ändern ständig den Fahrplan.«
    »Gottverdammte kapitalistische Wegelagerer. Rufen wir
ein Taxi.«
    »Von hier aus? Nee. Am anderen Ufer liegt ein Hotel.
Rufen wir von dort aus an.«
    Ich blickte die einen Kilometer lange erleuchtete Brücke
an.
    »Eine ganz schöne Strecke zu Fuß.«
    »Vielleicht hat sogar noch ’ne Kneipe
offen«, meinte Reid durchtrieben.
    »Ich bin dabei.«
    Wir setzten uns in Marsch, an Schildern entlang, die darauf
hinwiesen, dass die Brücke ständig mit Kameras
überwacht wurde. Im Norden und im Westen war der Himmel noch
hell. Hin und wieder brummte ein Auto oder ein Laster vorbei.
Bevor die Brücke den Fluss querte, überspannte sie
sanft ansteigend Straßen, Hinterhöfe, Ödland und
die langen Arme eines Yachthafens. Flussseitig, zu unserer
Linken, war ein hohes Geländer, zur Fahrbahn hin eine
niedrigere, aber durchlässigere Barriere. Reid legte ein
flottes Tempo vor und redete nur wenig. Etwa in der Mitte der
Brücke blieb ich stehen und steckte mir einen schwarzen
Stumpen an, der unverhofft in meiner Tasche aufgetaucht war.
    Irgendetwas beschäftigte mich. Hatte mit der
Friedensbewegung zu tun, mit… ah!
    Ich beeilte mich, zu ihm aufzuschließen.
    Kein guter Zeitpunkt – andererseits würde der
Zeitpunkt niemals richtig sein.
    »Reid, alter Junge«, sagte ich hinter seiner
Schulter, »ich habe noch ein Hühnchen mit dir zu
rupfen.«
    Seine Schulter ruckte hoch. Er drehte sich nicht um.
»Okay, Mann. Nur zu.«
    »Also, die Sache ist die, Annette hat mir alles
über dich erzählt, weißt du. Über euch
beide.«
    »Oh!«

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