Die Mars-Stadt
imperialistischer Krieg, wir beziehen gegen alle
Seiten Stellung und tun unser Möglichstes, um Britannien
herauszuhalten.«
Die Ernsthaftigkeit meiner Äußerung wurden ein
wenig konterkariert von der augenrollenden Tanya. Für
Leute wie dich habe ich an Friedensmärschen
teilgenommen, hätte ich ihr am liebsten gesagt.
(Zusammen mit Eleanor, schrie es lautlos in mir.) Annette hielt
meine Hand umklammert, als fürchtete sie, von mir getrennt
zu werden. Ich streichelte unterhalb des virtuellen Bilds ihre
Schultern und funkelte die Genossen an.
»Ich bin leider anderer Meinung als Genosse
Wilde«, sagte Mike Davies, ein schwarzer Liverpooler in den
Zwanzigern, dessen Ansichten ich bisweilen respektierte.
»Seine Äußerung gibt exakt die Meinung der
Regierung wieder, und wenn ihr mich fragt, ist es genau dieser
liberale Zwanzigstes-Jahrhundert- Pazifismus, der uns dieses
Schlamassel überhaupt erst eingebrockt hat. Hätte
Britannien seine Verantwortung auf dem Kontinent besser
wahrgenommen, hätten die Deutschen sie nicht
übernommen. Wie es aussieht, können wir bloß
hoffen, dass die Amerikaner uns wieder mal raushauen
werden.«
»Was redest du denn da für einen
Scheiß?«, sagte Julie. »Verantwortung? Also,
vielen Dank, Genosse, aber ich übernehme keine Verantwortung
für den beschissenen britischen Staat. Liberaler Pazifismus
– seit wann ist das denn ein Schimpfwort? Ich bin stolz
darauf, eine liberale Internationalistin zu sein. Der Krieg ist
die Killerapplikation des Staates. Einen liberalen Pazifisten
ziehe ich einem liberalistischen Militaristen allemal vor.
Neutralität, Nichteinmischung und Vorbereitung zur
Selbstverteidigung – das sollten wir vorantreiben, anstatt
zu überlegen, ob wir nun die Deutschen unterstützen
oder die verdammten Yanks zu Hilfe rufen. Worüber du
dir…« – sie zeigte mit einem Phantomfinger auf
Davies – »offenbar noch nicht einmal im klaren
bist!«
In einer Bildschirmecke blinkte es. Eleanor war
durchgekommen!
»Wenn das ein Antrag war«, meinte ich trocken,
»unterstütze ich ihn. Einstweilen aber, Genossen,
bitte ich euch, mich für ein paar Minuten zu
entschuldigen.« Ich nickte ihnen ernst zu, stellte den Ton
ab und schaltete den zweiten Telefonkanal ein.
Eleanors Gesicht erschien auf dem Monitor, und ich legte es
auf den Fernseher um. Freudiges Geplapper war zu vernehmen, das
verstummte, als Eleanor zu sprechen begann.
»Hallo, Leute«, sagte sie. »Tut mir Leid,
dass ihr euch wegen mir solche Sorgen gemacht habt. Mit dem Handy
kam ich nicht durch, und hinter mir stehen fünfzig Leute vor
dem Hotelapparat Schlange. Kann nicht lange reden. Ist bei euch
alles in Ordnung?«
»Ja«, antwortete Annette. Eleanors Partner beugte
sich kurz ins Bild und winkte uns lächelnd zu. »Oh,
hallo, Collin«, fuhr Annette fort. »Wann kommt ihr
zurück?«
Eleanor runzelte die Stirn. Der hinter ihr stehende Collin
hielt den nächsten Wartenden in der Schlange zurück.
»Ich weiß nicht«, sagte sie. »Der
Flughafen ist einstweilen geschlossen. Es heißt, morgen
würden die Flüge wieder aufgenommen, aber dort
draußen herrscht bestimmt Chaos. Wir könnten ebenso
gut solange warten, bis die Operation abgeschlossen
ist.«
»Die Operation?«, protestierte ich.
»Ich weiß nicht, was man euch dort erzählt, aber
von hier aus sieht das nach einer großen Sache aus. Die
Yanks sind wirklich aufgebracht, die Russen klingen nervös,
und ein paar der kleineren Republiken, die von der Europawehr
bedroht sind, haben die Hand am Auslöseknopf der Atomwaffen.
Mach, dass du da wegkommst. Fahr sofort zum Flughafen.
Wenn die Leute in deiner Umgebung den Kopf in den Sand stecken,
ist das ihr Problem und deine Chance.«
Eleanor setzte gerade zu einer Entgegnung an, als sich das
Bild auflöste und von einem verlegen wirkenden Mann ersetzt
wurde, dessen Anzug eine ebenso deutliche Sprache sprach, als
hätte er ein Namensschild mit dem Zusatz
›Hotelmanager‹ getragen. »Ich bedaure, Sir,
aber wir können nicht zulassen, dass diese Unterhaltung
fortgeführt wird.« Die Verbindung wurde unterbrochen,
was ein empörtes Geschrei an unserem Ende der Leitung zur
Folge hatte.
Tanya wandte sie zu mir um. »Wieso musstest du auch
unbedingt das Maul aufreißen? Wir konnten nicht mal mit ihr
sprechen!«
»Tut mir Leid«, sagte ich. »Ehrlich. Aber
ich glaube nicht, dass man dort drüben den Ernst der Lage
begriffen hat. Jetzt,
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