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Die Marsfrau

Die Marsfrau

Titel: Die Marsfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Fressen und
Gefressenwerden zu zementieren. Ihr habt die Doubles, na, bei
den Schweinen eins haargenau wie das andere. Der
Verarbeitungsprozess ist auf die Körpergröße abgestimmt,
Wurst und Schnitzel sind vollautomatisiert. Nur fressen
müssen die Doubles wie die echten. Also – wenn auch die
Versuche noch längst nicht soweit sind: Es ist doch eure
Zielrichtung, weil angeblich rationeller, Tiere weiterhin für die
Ernährung einzusetzen, Tiere, die nun nach eurem Willen nicht
so viel Futter brauchen sollen, deren Stoffwechsel
umweltfreundlicher ist, die noch automatischer aufgezogen
werden, bis, ja bis sie messerreif sind. Und dagegen, siehst du,
habe ich eine ganze Menge. Die geplante Züchtung der mit der
Faunella-Alge optimierten Tiere in Ödgebieten halte ich für
einen Vorwand.“
Es klang für Sylvester nicht gerade sehr glaubhaft, was Nagy
da hervorbrachte. Allerdings steckten in diesen Argumenten
auch Fakten, die er noch nicht so gesehen hatte. Aber im
Augenblick kam es Sylvester eher vor, als äußerte Nagy eine
Meinung, die nachträglich
– vielleicht zur Rechtfertigung
irgendeines Sachverhaltes
– konstruiert worden war,
möglicherweise schon seit Längerem und so intensiv, dass
Nagy selbst daran glaubte. Aber in allem hatte Nagy nicht
Unrecht. Die biotechnischen Verfahren zur Herstellung von
Fleisch schienen prinzipiell möglich, und die Produktion ließ
sich auch im Vergleich zu den herkömmlichen Verfahren
ökonomisch gestalten. Schließlich hatte der Mensch seit
Anbeginn von anderen Lebewesen gelebt, ein Naturgesetz.
Dagegen sich auflehnen oder gar wie Nagy aktiv einschreiten
zu wollen, blieb letztlich lächerlich, wurde zur
Donquichotterie. Und einen Augenblick lang zweifelte
Sylvester an Nagys Verstand, zumal dieser Mensch ihm mit
einer Miene gegenüber saß, die das Bewusstsein ausdrückte,
Bedeutendes gesagt zu haben.
Völlig unvermittelt kam Sylvester der Gedanke ein, dass
Allan Nagy eigentlich das war, was man landläufig als
interessanten Mann bezeichnete, ein Typ, von dem man sich
vorstellen konnte, dass er auf Frauen Eindruck machte, der
aber auch sonst sympathisch wirkte, wenn er nicht gerade –
wie jetzt – hochmütige Reden führte und so rechthaberisch
schaute. Nagy war schlank; wenn er lachte oder sprach, zeigte
er zwei Reihen tadelloser Zähne, und seine Stimme klang
angenehm.
„Du siehst das einseitig.“ Sylvester setzte den Disput fort.
„Tatsächlich geht unsere Zielrichtung in erster Linie dahin,
tierisches Leben in kargen Gebieten rationell anzusiedeln – zur
schnelleren Urbarmachung oder Rekultivierung oder zur
Wiederherstellung von Gleichgewichtszuständen dort, wo
natürliche Nahrungsquellen – oder auch atmosphärische
Verhältnisse – für diese Tiere nicht mehr ausreichen.“
Sylvester verfiel ins Dozieren.
Nagy winkte ab. „Das Mäntelchen… Ich sage dir, es geht
profan um billige Schinken und Schnitzel.“
„Na, und wenn?“ Sylvester fragte es trotzig. „Du hältst das
nicht auf, und es ist absurd, das aufhalten zu wollen.“
Eigentlich wollte sich Sylvester zu keiner Wertung hinreißen
lassen. Aber es war ihm zuviel an Borniertheit, was ihm der
andere bot.
„Vielleicht sprechen wir uns wieder.“ Nagy zuckte mit den
Schultern. „Du wirst sehen!“ Und dann fügte er einen Satz in
verändertem Ton hinzu, der Sylvester eine Sekunde an seinen
Vermutungen zweifeln ließ. „Ich war, als ich anfing, auch voll
Elan und guten Glaubens.“ Bitternis und Resignation klangen
aus diesen Worten.
Aber als Sylvester seine nächste Frage stellte, hatte Nagy sich
wieder gefangen. „Warum bist du eigentlich weg vom
Institut?“, fragte er gewollt gleichgültig.
„Aus persönlichen Gründen“, sagte er abweisend.
Das Gespräch geriet ins Stocken, und Sylvester stellte bei
sich fest, dass er eigentlich vergeblich gekommen war. Es
wurde deutlich, dass Nagy nun, da er wusste, wie Sylvester die
Sache mit dem verendeten Tier einschätzte, keine
Ungelegenheiten zu befürchten hatte, ihm also an
der
Fortsetzung des Gesprächs nichts liegen konnte. Sylvester
unternahm einen letzten Anlauf. Noch einmal versuchte er
seine Absicht hinter einem harmlosen Tonfall zu verbergen.
„Wie weit seid ihr damals gekommen – ich meine, über den
lebensfähigen Einzeller hinaus?“
Eine Weile sagte Nagy nichts. Ein kleines spöttisches
Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. Dann stellte er fest:
„Ihr fangt also wieder an. Ich dachte es mir
– weil ihr
unbedingt Schweine

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