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Die Marsfrau

Die Marsfrau

Titel: Die Marsfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Natürlich wurden unsere Vorfahren mit vielen
Problemen fertig, aber oft mit einschneidenden, kostspieligen
Maßnahmen. Es gäbe eine Reihe von Beispielen. Denkt an die
Irrwege der Kernspaltung.
Ich werde die heute hier vorgebrachten Bedenken dem
UNESCO-Ausschuss mitteilen, demselben, der seinerzeit die
Versuche – allerdings aus anderen Gründen“, sie warf einen
Blick auf Nagy, den alle richtig deuteten, „untersagte. Bis zu
dessen Gutachten allerdings werden die Arbeiten zügig
fortgesetzt. Ich bitte, über die einzelnen Abläufe informiert zu
werden.“ –
    Zwei Tage nach dieser Beratung legte Sylvester sein
Programm Marie Marowa vor. Er hatte im Wesentlichen die
Aufgabe beibehalten, Versuchstiere heranzuschaffen,
allerdings nicht nur Schweine, sondern auch solche, die einen
breiteren Test der Faunella zuließen.
    Zunächst hatte Sylvester den gesamten Brehm gewälzt.
Es galt, Tiere auszuwählen, deren „Kleid“ Licht hindurchließ.
Einfach gestaltete sich die Aufgabe nicht. Schon bald
zeichnete sich ab, dass umfangreiche Züchtungen notwendig
werden würden, um erst einmal entsprechende Stämme zu
erhalten. Gehege und Stallungen mussten entworfen und
gebaut werden, mehr Personal wurde benötigt.
Marie schüttelte den Kopf. Sie krauste die Nase, verzog das
Gesicht, raffte die Blätter, die Sylvester vor ihr ausgebreitet
hatte, unordentlich zusammen und sagte: „Alles recht, alles
recht, Syl. Mir aber ein bisschen zu hoch. Das soll die Alte
selbst entscheiden. Ich melde dich an, und du unterbreitest ihr
den Kram. Es bewährt sich, dass der, der etwas verzapft, es
auch vor der Obrigkeit vertritt.“
Und so wurde Sylvester Reim noch am selben Tag von
Ramona-Ros Müller empfangen.
Sie stand im Zimmer als er eintrat, wies auf die Sesselecke.
Auf dem Tisch summte ein Samowar. Und Sylvester ließ sich
leicht befangen nieder. Ihm war nicht klar, ob die
Teevorbereitungen ihm und seinem Besuch galten oder ob er
zufällig in eine ihrer Teezeiten geraten war. Er nahm das
Letztere an, und seine Unsicherheit mäßigte sich.
Ramona-Ros – in einem leger geschnittenen Kleid – kam ihm
wuchtiger vor als sonst. Sie goss Tee ein, setzte sich dann an
seiner Seite an den Tisch und sagte: „Na, zeig mal her. Marie
meint, du gingst tüchtig ins Zeug.“
„Bloß das Nötigste!“, wehrte er ab. „Nur, uns nützt ein halbes
Dutzend herzlich wenig, glaube ich.“
„Tja – wenn die Bilanz es zuließe…“ Sie lächelte.
„Vieles davon könnten wir selbst machen!“ Sylvester blieb
optimistisch.
Sie gingen gemeinsam die Unterlagen durch, und Sylvester
staunte über ihre Detailkenntnisse.
Ramona-Ros machte einige Vorschläge zur Vereinfachung,
stimmte aber im Wesentlichen seinen Entwürfen zu. „Schreib
das noch einmal übersichtlich auf. Ich gebe es zur Bestätigung
an die Institutsleitung. Unterdessen könnt ihr alles schon so
vorbereiten.“ Sie schlug die Mappe zu, lehnte sich zurück,
musterte Sylvester eine kleine Weile von der Seite und sagte:
„Deine Meinung hat mir gefallen
– na, zu den ethischmoralischen Aspekten unserer Arbeit. Ehrlich gesagt: Wir
haben seinerzeit darüber debattiert. Aber ernsthaft hätte nie
einer daran gedacht, dass in unserem Fall solche Gründe die
Forschung beeinträchtigen könnten.“
Sie machte eine Pause, trank einen Schluck Tee, starrte durch
das Fenster und sagte dann nachdenklich: „Es war Annes
Einfluss, ihr Enthusiasmus, ihr Elan. Sie riss die anderen mit,
verstehst du? Keiner hatte daran gezweifelt, dass es eine
zutiefst humanistische Arbeit sei, die wir verrichten. Anne war
von einer Art Sendebewusstsein erfüllt. Dabei sind wir nicht
die Ersten, die mit einer Synthese von pflanzlichen und
tierischen Zellen begannen. Das ist bis in die achtziger Jahre
des zwanzigsten Jahrhunderts zurückzuverfolgen. Erst später
kam der Auftrag hierher. Das war als Auszeichnung
aufzufassen. Aber – es stand gewiss der ökonomische Aspekt
im Vordergrund. Du weißt, es ging damals um den
Standardausgleich zwischen den Nationen. Es gab zum
Beispiel Projekte, niedere Zwitterorganismen in der Sahara
anzusiedeln. Nun ja, eben nicht ortsfeste Lebewesen, die sich
dort niederlassen oder dorthin wandern, wo sie in ihrer
Doppelfunktion noch Existenzbedingungen vorfinden,
Bedingungen, unter denen heute weder Pflanzen noch Tiere
gedeihen. Und wir wollen so ähnlich vorgehen, eben nur nicht
ausschließlich auf der Erde.“
Ramona-Ros sprach wie zu sich selbst. Es schien Sylvester,
als habe sie

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