Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
ich. Wir haben ja auch nie gefragt, woher du kamst oder wovor du weggelaufen warst. Wir merken es nämlich, wenn ein guter Mensch vor uns steht. Und bei diesem Kerl hatte ich gar kein gutes Gefühl.«
»Danke dafür.«
»Schon gut, John. Sag mal, willst du vielleicht zu Ostern vorbeikommen? Bring doch dieses Mädchen mit … Casey Nicholson, genau. Die ist wirklich nett.«
»Wir sind nicht mehr …«
»Oh. Die Jugend heutzutage und ihre schnelllebigen Romanzen! Ich war in meinem ganzen Leben nur mit einem einzigen Mann zusammen, mit Bill. Hab ich dir das eigentlich schon mal erzählt?«
»Nein, das wusste ich nicht.«
»Diese Casey ist ein wirklich nettes Mädchen. Du solltest sie anrufen und fragen, ob sie heute Abend schon was vorhat.«
»Lass mal, sie ist sicherlich mit ihrem anderen Freund unterwegs. Mit Jack.« John ärgerte sich über seinen barschen Ton.
»Ach, so eine ist das! Na, dann ist es wohl besser, dass du sie los bist.«
»Genau.«
»Dann komm Ostern eben allein vorbei. Wir würden uns freuen, wirklich.«
»Ich überleg’s mir noch, vielen Dank auch für die Einladung. Bis bald!«
John legte auf. Er musste keine Sekunde darüber nachgrübeln, wer da in seiner Vergangenheit herumgeschnüffelt hatte: Charboric oder Visgrath. Aber was hofften sie zu finden? Wonach genau suchten sie? Für einen Moment wankte die Welt um ihn herum, die Wände rückten in die Ferne, sein Puls dröhnte ihm in den Ohren. Er stützte sich am Küchentisch ab, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Aber … aber wenn sich die Lage immer weiter verschärfte, wenn sich das Netz aus EmVis und Pinball Wizards, aus Casey, Grace und Henry zu eng um ihn zusammenziehen sollte, konnte er immer noch gehen. Er musste nicht hierbleiben. Er musste nicht als Vorstandsmitglied von PW fungieren. Niemand zwang ihn. Falls er wollte, konnte er einfach abhauen. Aus diesem Universum verschwinden.
Er hielt inne. Ja, natürlich war es so. Nichts stand ihm im Wege. Hatte er nicht schon über hundert Universen durchreist? Zwar hatte er sich hier länger aufgehalten als in allen anderen zusammen, aber war dieses Universum nicht letztlich genauso wie die anderen? Eine Zwischenstation?
Auch Casey, Grace und Henry würde er zurücklassen müssen. Aber warum nicht? In den Universen gab es Millionen Henrys, Graces und Caseys. Warum sollten die hiesigen Versionen wichtiger sein als all die anderen? Wenn er wollte, konnte er sich mit einem Dutzend Graces anfreunden, ein Dutzend Caseys verführen.
Über diesen Gedanken ebbte Johns Panik langsam ab. Wenn ihm alles zu viel wurde, konnte er es jederzeit hinschmeißen.
Bestimmt wollte Charboric nur sichergehen, dass mit seinen Geschäftspartnern alles stimmte. Er war eben ein
gründlicher Typ. Mehr war da nicht, beschloss John. Wie so oft war grundlose Paranoia schuld an der ganzen Aufregung – Charborics und seine eigene.
Bald darauf machte eine Firma aus Pennsylvania Patentansprüche auf die Flipperautomaten geltend und verklagte Pinball Wizards.
»Das ist doch Schwachsinn!«, rief Henry. Sie saßen rund um den großen Tisch im Konferenzsaal in Columbus. Es war Mittwoch; wegen der Krisensitzung hatten John und Henry ihre Kurse an der Uni sausen lassen müssen. Auf der Hinfahrt hatte sich Henry immer mehr in seine Wut über die Klage hineingesteigert, während Grace vor Nervosität so lange an einem losen Faden an ihrer Bluse herumgefummelt hatte, dass er jetzt zehn Zentimeter lang war. Sie wirkte erschöpft und zugleich äußerst angespannt.
Charboric und Visgrath verzogen keine Miene über Henrys Ausbruch. Nach kurzem Schweigen erhob Charboric die Stimme. »Wie ich schon immer gesagt habe: Genau das musste passieren.« Er fixierte John. »Wir sind bei den Patenten nicht vorsichtig genug vorgegangen.«
»Aber unsere Flipper haben rein gar nichts mit denen zu tun, die John als Kind gesehen hat!«, entgegnete Henry. »Mein Gott, sie sind für zwei Spieler konzipiert, nicht für einen! Das ist doch was völlig anderes!«
»Der Name ist derselbe«, warf Visgrath ein.
Henrys Stimme überschlug sich. »Und, ist er geschützt? Gibt es eine Marke? Ich konnte nichts darüber finden, nirgendwo. Wenn sie den Markenschutz nicht erneuert haben, sind sie ihn los. So einfach ist das!«
Visgrath zuckte abfällig mit den Schultern. »Auf jeden Fall müssen wir jetzt Arbeitszeit und Kapital aufwenden, um unseren Anspruch vor Gericht zu verteidigen.«
John hatte sich bisher zurückgehalten.
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