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Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe

Titel: Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Melko
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Pferd.
    »Wie wär’s mit einem Apfel? Und hier, dein Hafer!«
    Auf den Knien wagte sich John ein Stückchen weiter vor, bis er einen Blick auf den anderen erhaschen konnte. Weit hinten, im Dunkel der Scheune nur undeutlich zu erkennen, fütterte Subprime das Pferd – Johns Pferd. Noch war John im Schatten der Heuballen verborgen, doch er hatte keine Wahl: Er musste näher heran.
    Stan wieherte. Vor seinem inneren Auge sah John, wie das Pferd Subprimes Kopf mit der Schnauze liebkoste, ihm mit der großen Zunge über das Gesicht fuhr.

    »Schon gut, hör auf«, hörte er Subprime lachend sagen. Es raschelte. Jetzt waren die Schafe dran, wie John wusste.
    Er passte den Moment ab, in dem Subprime ihm den Rücken zukehren musste, um auf die andere Seite der Heuballen zu huschen, hinter den Maispflücker. Drüben prasselte Getreide in den Futtertrog. Plötzlich war er sich nicht mehr sicher. Würde er es wirklich fertigbringen? Konnte er sich wirklich selbst reinlegen, konnte er sich antun, was Prime ihm angetan hatte? Würde er diese Rolle wirklich spielen können?
    Nein. John konnte es nicht. Er würde es nie durchhalten. Er war nicht hinterhältig, er war kein Schauspieler, kein Lügner. Er würde Subprime nie dazu überreden können, das Gerät zu benutzen.
    Also musste er einen anderen Weg wählen. Es auf die harte Tour erledigen.
    Neben dem Maispflücker, an einem großen Nagel, den sein Vater in die Wand getrieben hatte, hing eine Schaufel. John nahm sie in die Hand. Es war eine kurze, schwere Schaufel mit einem flachen Blatt. Ein kräftiger Schlag auf den Kopf würde wohl ausreichen. Danach konnte er dem anderen in Ruhe das Gerät umschnallen, den Universumzähler einstellen und den Hebel mit dem Stiel der Schaufel umlegen. Die würde dabei wohl zur Hälfte draufgehen, aber das machte nichts. Anschließend würde er die restlichen Tiere füttern und ins Haus gehen, pünktlich zum Frühstück – Speck, Eier, Toast und Kaffee. Und niemand würde je etwas ahnen.
    John ignorierte das flaue Gefühl in seiner Magengegend. Die Schaufel fest mit beiden Händen umklammernd, schlich er langsam auf Subprime zu, der ihm noch immer den Rücken zukehrte.
    Wahrscheinlich war es Johns Schatten, der Subprime aufblicken ließ. »Dad?«, fragte er und drehte sich um.

    John stand mit erhobener Schaufel vor ihm.
    »Oh Gott!«, rief Subprime und wich einen Schritt zurück. Seine Augen irrten zwischen der Schaufel und Johns Gesicht hin und her. Innerhalb von einer Sekunde verwandelte sich sein Schock in blanke Panik.
    Den ganzen Körper anspannend, trat John einen Schritt vor und hob die Schaufel noch höher.
    Subprime lehnte sich nach hinten über den Zaun des Schafstalls und versuchte, seinen Kopf mit dem Arm zu schützen.
    Er hatte nur einen Arm.
    John wurde schwindelig. Er ließ die Schaufel fallen. Mit einem dumpfen Poltern schlug sie auf dem Scheunenboden auf und blieb zu Subprimes Füßen liegen.
    »Verdammt, was mache ich hier bloß!«, schrie er. Sein Magen drehte sich um, die Galle kam ihm hoch, er spuckte aus. Als ihm der Geruch der gelblichen Flüssigkeit in die Nase stieg, musste er erneut würgen. Er war kein bisschen besser als Prime. Er hatte dieses Leben nicht verdient.
    Weg! Er musste weg von hier, einfach nur weg! Die Arme erhoben, wie um sich zu entschuldigen, stolperte er rückwärts auf die Hintertür der Scheune zu.
    »Warte!« Subprimes Stimme. Seine eigene Stimme.
    John rannte über das Kürbisfeld. Auf halbem Weg blieb er mit dem Fuß hängen, strauchelte und knallte mit dem Gesicht voran auf die Erde. Er schüttelte seinen Fuß frei, rappelte sich auf und lief weiter, auf den Wald zu.
    »Warte! Lauf nicht weg!«
    An einen Baum gelehnt blieb John stehen und schaute zurück. Subprime verfolgte ihn. Schwer atmend stieß sein Zwilling den rechten Arm – seinen einzigen Arm – vor und zurück. John konnte den Blick nicht von diesem Bild losreißen.

    Fünf Meter vor ihm hielt Subprime inne und streckte die Hand aus. »Du bist ich«, sagte er. »Nur, dass du beide Arme hast.«
    John nickte, viel zu ausgelaugt, um etwas zu sagen. Als er sein anderes Ich, das er eben noch hatte niederschlagen wollen, mit ausgestreckter Hand vor sich stehen sah, konnte er die Tränen nicht zurückhalten.
    »Aber wie ist das nur möglich?«, fragte Subprime.
    Allmählich kam John wieder zu Atem. »Ich bin eine andere Version von dir. Von uns.«
    Subprime nickte. »Aber du hast deinen Arm nicht verloren.«
    »Genau. Aber … aber

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