Die Maya Priesterin
Morgengrauen erwachte, der ganze Urwald vom Konzert der Vögel erfüllt. Wie e r au f di e Lic h tun g hinaustra t un d sei n Her z au f einma l zu klopfe n began n . Tränen , di e i n sein e Auge n schos se n - verrückt, dachte er, ich weine wahrhaftig vor Glück. E s war , al s nähm e er di e Wel t mi t ni e gekannte n Sinne n wah r . Tau, der im Morgenlich t au f Gräser n un d Blüte n glänzte . Die Luft erfüllt vo n bittersüße m Duf t . Wie die ersten Sonnenstrahlen zwischen de n Bäume n flirrte n . Der Gesang der Vögeljubilierend wie ein einziger inbrünstiger Schre i ...
Di e Erinnerun g verblaßte . Der Duft wich dem Gestank des Kerkers . Der Gesa n g de r Vöge l wurd e übertäub t vo m Wummern der Trommel n . Von den gemurmelten Gebeten des Taufpriesters un d vo m elende n Keuche n Herná n s . De r Fallsüchtig e i n seinem Winkel knirschte mit den Zahne n . Ei n neue r Anfall , dacht e der Pater . Ein e Weil e lauscht e e r an g espannt ins Dunke l . Doch Yaxtu n heult e nu r einma l leis e au f un d san k auf s neu e i n Schla f .
Noch einmal kehrten seine Gedanken zu Ixkukul zurück. Er würd e seine n Nacke n unte r de r Ax t de s Opferpriester s beugen, ohn e I x k ukuls Namen zu erwähne n . Wen n sic h hera u sstellte, da ß di e weiße n Männe r ihretwege n nac h Tayasa l gekommen waren, würde der La h k in am Ende auch Ixkukuls Tod befehle n . De r bullig e Wächte r hatt e zweifello s rech t . Der Lahkin hatte ihr e Opferun g beschlossen , un d nieman d konnt e si e rette n . Am allerweni gste n ein e Frau , di e Priesteri n eine r Gotthei t von mindere m Ran g .
Schritte auf der Treppe rissen Diego aus seinen Gedanke n . Fray Cristos Gemurmel verstummt e . Der Mestize hörte auf zu keuche n . Si e all e hielte n de n Ate m a n un d lauschte n angespannt i n di e Du n kelhei t . Nur der Fallensteller seufzte weiterhin leise im Schla f . Währen d übe r ihne n da s Gitte r beiseit e gerissen wurde . Fackeln loderten auf. Eine Strickleiter wurde hinuntergeworfe n . Barsche Kommandos. »Ko'ten!«
Au f einma l wurd e Fra y Dieg o gan z ruhi g . K ü h l un d gefaß t . Er erhob sic h . Tra t z u Cristóba l un d hal f ih m au f di e Füße . Der klein e Taufprieste r hatt e wiede r z u bete n begonne n . Im flackernden Schein der Fackeln stand er da, bis zu den Knöcheln i m Unrat , un d rie f di e heilig e Mutte r Mari a a n . Sein e ehe m als weiß e Tunik a wa r verkruste t mi t Schmut z un d Kot . Wirr stand ihm das Haar vom Kopf ab, und sein Antlitz war bleicher denn je . Fra y Cristo s Auge n abe r strahlte n vo r Frömmigkeit .
Fü r eine n Momen t konnt e de r Pate r seine n Widerwille n kaum verberge n . Hö r au f , dic h selbs t z u belügen ! wollt e e r Cristóbal anherrsche n . Doch er bezwang sic h . I m Lebe n hatt e e r dem kleine n Mönc h keine n We g weise n könne n . Mocht e Fra y Cristo als o übe r di e Schattenbrück e wandeln , wi e e s ih m gefie l . Er wandt e sic h u m un d wollt e auc h He r ná n di e Han d biete n . Aber der Mestize hatte seinen Winkel bereits verlasse n . E r kniete nebe n Yaxtu n un d rüttelt e de n Fallenstelle r au s de m Schla f .
»Wird' s bald! « Übe r ihne n lie ß de r bullig e Wächte r wieder sein Lachen ertöne n . Verachtungsvoll , zugleic h ein e Spu r erregt .
»Di e Götte r dürste n nac h eure m Blut .«
»Ic h geh e al s erster .« Diego nickte seinen Gefährten z u . Hoch übe r ihnen , au f de m weite n Platz , dröhnte n di e Trommel n. Schnelle r jetzt , hämmernd , erreg t . E r umklammert e di e Seile und kletterte auf der sc h wankenden Strickleiter nach obe n .
7
»Los, weiter! Wirst du wohl schneller laufen, weißer Hund!« Faustschläg e prasselte n au f ihr e Schulter n un d Köpf e . Dabei taumelten sie bereits, so rasch sie konnten, auf der speckigen Wendeltreppe nach obe n . De r Pate r vo r an , gefolg t vo n Hernán un d Cristóba l . Hinterdrein trottete der Fallsüchtige, der wohl kaum erst begriffen hatte, wohin die Wächter sie triebe n .
Endlic h hatte n si e di e Erdlini e erreicht . Fray Diego stolperte über die Schwelle nach drauße n . Di e Hitz e tra f ih n wie ein Hieb. De r Ate m stockt e ih m . Seine Lunge sträubte sich, die glühende Luf t einzuatme n . Noch schlimmer war die Helligkeit. Wie Dolch e stache n ih m di e Sonnenstrahle n i n di e Auge n . Nac h drei Woche n i n fas t völlige r Schwärz e . Aber die Wächter ließen ihne n kein e Zei t . Im Gegenteil.
Weitere Kostenlose Bücher