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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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telefonieren.

 
12

    Marklin hatte das Haus noch nie in einem derartigen Aufruhr gesehen. Sein Talent zur Heuchelei wurde auf eine harte Probe gestellt. Im Ratszimmer drängten sich die Ordensmitglieder, aber die Sitzung war noch nicht eröffnet worden. Niemand nahm Notiz von ihm, als er im Korridor vorbeikam.
    Sie hatten ihn nicht einmal geweckt, um ihm zu sagen, was passiert war. Er war auf all das erst gestoßen, als er schließlich seine Tür geöffnet und ein paar Ordensmitglieder gesehen hatten, die auf dem Gang »patrouillierten«. Er und Tommy hatten kaum ein Wort gewechselt.
    Aber inzwischen war Tommy in Regent’s Park angekommen und hatte die Abfangvorrichtung an der Fax-Anlage entfernt. Alle harten Beweise für die gefälschten Korrespondenzen waren vernichtet.
    Und wo war Stuart? Nicht in der Bibliothek, nicht in den Salons, nicht in der Kapelle, wo er für seinen geliebten Aaron betete, und auch nicht im Ratszimmer.
    Stuart durfte unter diesem Druck nicht zusammenbrechen! Und wenn er weg war, wenn er zu Tessa gegangen war… Aber nein, er würde nicht fliehen. Stuart war wieder bei ihnen. Stuart war ihr Führer, und sie standen zu dritt gegen die Welt.
    Die große Standuhr im Flur zeigte elf Uhr vormittags. Ein bronzenes Mondgesicht lächelte über den verschnörkelten Ziffern. In dem Lärm war das Läuten beinahe nicht zu hören. Wann würden die formellen Beratungen beginnen?
    Ob er es wagen könnte, zu Stuarts Zimmer hinaufzugehen? Aber wäre das nicht ganz natürlich? Stuart war sein Lehrer im Orden. Wäre es nicht richtig, wenn er zu ihm ginge? Und was wäre, wenn Stuart wieder in Panik geriet, wenn er zu zerbrechen drohte und erneut alles in Frage stellte? Wenn Stuart sich wieder gegen ihn wandte, wie er es auf Wearyall Hill getan hatte, und er Tommy nicht an seiner Seite hatte, um Stuart zurückzugewinnen?
    Soeben war etwas passiert. Er hörte es im Ratszimmer. Er ging ein paar Schritte weiter, bis er vor der nördlichen Tür stand. Die Ratsmitglieder nahmen ihre Plätze an dem großen Eichentisch ein. Und da war Stuart. Stuart schaute ihm ins Gesicht – ein Vogel mit scharfem Schnabel und kleinen, runden blauen Augen, wie üblich dunkel, beinahe priesterlich gekleidet.
    Lieber Gott, Stuart stand neben dem leeren Stuhl des Generaloberen! Er hatte seine Hand auf die Stuhllehne gelegt. Alle schauten Stuart an. Sie hatten Stuart zum Nachfolger ernannt! Natürlich.
    Marklin hob die Hand, um ein unkluges, aber unvermeidliches Lächeln zu verdecken; er hüstelte gedämpft. Zu schön um wahr zu sein, dachte er; es ist, als wären die Mächte des Himmels und der Hölle auf unserer Seite. Es hätte ja auch Elvera sein können, oder Joan Cross. Sogar der alte Whitfield hätte es sein können. Aber es war Stuart! Brillant! Aarons ältester Freund.
    »Kommen Sie herein, Sie alle, bitte, und nehmen Sie Platz«, sagte Stuart. Er war äußerst nervös, das konnte Marklin sehen. »Sie müssen mir verzeihen«, sagte Stuart und zwang sich zu einem höflichen Lächeln, das sicher nicht erforderlich und kaum angebracht war. Lieber Gott, er kann es nicht durchziehen! »Ich habe mich noch nicht vollständig von meinem Schrecken erholt. Aber Sie wissen, daß ich zum Nachfolger ernannt worden bin. In diesem Augenblick warten wir auf eine Mitteilung der Ältesten.«
    »Sicher haben sie schon geantwortet, Stuart«, sagte Elvera. Von Freunden umdrängt, war sie der Star des Vormittags gewesen, Zeugin des Mordes an Anton Marcus, diejenige, die mit diesem geheimnisvollen Mann gesprochen hatte, der da ins Haus eingedrungen war, allen, denen er begegnet war, merkwürdige Fragen gestellt und schließlich kaltblütig und methodisch den Generaloberen erwürgt hatte.
    »Es ist noch keine Antwort da, Elvera«, sagte Stuart geduldig. »Nehmen Sie Platz dort drüben, Sie alle. Es wird Zeit, daß diese Sitzung beginnt.«
    Endlich wurde es still im Saal. Der Riesentisch war von neugierigen Gesichtern umgeben. Dora Fairchild hatte geweint, und man sah es ihr an. Manfield Cotter ebenfalls, und noch andere, die Marklin nicht einmal kannte. Lauter Freunde von Aaron Lightner natürlich, oder Verehrer, um es zutreffender zu sagen.
    Marcus hatte hier eigentlich keiner gekannt. Sein Tod hatte natürlich jeden entsetzt, aber Trauer war hier nicht das Problem.
    »Stuart, hat die Familie Mayfair schon geantwortet?« wollte jemand wissen. »Haben wir inzwischen weitere Informationen über das, was Aaron zugestoßen ist?«
    »Haben Sie bitte

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