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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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noch einmal in ihrem warmen Bett umgedreht, doch die Pflicht rief. Der Frau war zuzutrauen, daß sie den Speck verkohlen und den Kaffee wieder anbrennen ließ.
    Erst als sie versuchte, die Bettdecke zurückzuwerfen, begriff Ellen, daß sie darin eingewickelt war und die Enden unter der Matratze so festgezurrt waren, daß sie sich nicht befreien konnte. Zweifellos Katys Werk. Die kleinen Streiche, die sie der Doktorin spielten, hatten ihr wohl solchen Spaß gemacht, daß sie nun auch Ellen eins auswischen wollte. Manchmal wäre es besser, keine Schwester zu haben.
    »Katy!«
    Von der Nebenliege kam nur ein gedämpfter Grunzlaut.
    »Katy, das ist überhaupt nicht komisch! Steh auf und binde mich los.«
    Katys Antwort klang wie Schnarchen oder Prusten.
    »Und zwar sofort, Katy! Ich meine es ernst!« Ellen vermochte den Kopf soweit zu heben, daß sie nach nebenan blinzeln konnte; und ein schrecklicher Verdacht stieg in ihr auf. Katy war ebenso eingebunden wie sie.
    »W … was ist los? He! Da hat mich jemand festgebunden! Ellen!«
    »Ich war es nicht, blöde Gans. Ich kann mich auch nicht rühren.«
    »Dann war es die …« Im selben Moment hörten sie das Knarren der Sprossen, und der Kopf der Frau erschien in der Luke. Ihr Lächeln ließ Böses ahnen. Ihre Wangen waren mit Mehl bestäubt, und auf der Stirn hatte sie einen schwarzen Rußstrich wie eine Kriegsbemalung. Ellen hoffte, daß sie nicht wieder versucht hatte, Brötchen zu backen.
    »Guten Morgen, Kinder. Habt ihr gut geschlafen?«
    Katy war auf dem Kriegspfad, bevor Ellen den Mund aufmachen konnte. »Was soll das, uns hier festzubinden?«
    Frau Doktor war die unschuldige, zuckersüße Freundlichkeit selbst. »Ihr habt gestern so müde ausgesehen, daß ich mir Sorgen gemacht habe, ihr könntet euch übernommen haben. Ich weiß ja, wie schwer es ist, im Bett zu bleiben, wenn man wieder zu Kräften kommt. Deshalb dürft ihr heute mal den ganzen Tag das Bett hüten und euch ausruhen.«
    Sie war fast so gemein wie Katy, das mußte Ellen ihr lassen.
    »Ihr wollt doch nicht wieder krank sein, wenn euer Papa nach Hause kommt.«
    Katy fauchte wie eine in die Ecke getriebene Katze. Ellen versuchte, der Frau mit Vernunft beizukommen. »Wir müssen aber auch mal aufs Klo.«
    Mit einem leicht amüsierten Lächeln wandte Frau Doktor sich an Ellen. »Es ist viel zu kalt, um draußen auf das zugige Klo zu gehen, Kind. Ich weiß, eine Bettpfanne ist keine angenehme Sache, aber immerhin besser als wieder krank zu werden, stimmt’s?«
    Ellen stöhnte.
    »Und wenn ihr den ganzen Tag schön brav seid, dürft ihr vielleicht zum Abendessen aufstehen. Bis dahin habt ihr euch wieder erholt, denke ich.«
    »Heißt das, wir kriegen kein Frühstück?« schrie Katy.
    »Aber natürlich. Wenn das Frühstück fertig ist, komme ich rauf und füttere euch.«
    »Müssen wir den ganzen Tag so liegen bleiben?«
    »Aber nein. Das wäre wirklich zu langweilig. Ich komme hoch und lese euch etwas vor. Ich habe ein Buch über die Geschichte des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges im Regal eures Vaters gefunden. Ich bin sicher, ihr wollt ein paar Kapitel daraus hören.«
    Katy starrte dumpf zur Leiter, wo der Kopf der Frau verschwunden war. »Sie wird uns foltern, die alte Hexe. Verflucht! Sie kann uns doch nicht den ganzen Tag hier gefangen halten.«
    »Und ob sie kann«, schnappte Ellen giftig. »Gut gemacht, Katy. Wenn du das nächste Mal einen Hund am Schwanz ziehst, vergewissere dich vorher, ob er beißt.«
    »Ach steck dir doch einen Socken in den Mund.«
    Ellen seufzte verzweifelt. Das würde ein sehr langer Tag werden.

Kapitel 9
    Das Essen an jenem Abend war für Olivia ein kleiner Triumph, vielleicht sogar ein großer Sieg. Nach drei Versuchen war es ihr gelungen, einen richtigen Brotteig zu kneten, Brötchen zu formen und auf dem Backblech zu backen, ohne sie verkohlen zu lassen. Das gepökelte Rindfleisch war ebenfalls genießbar. Und als Nachtisch hatte sie eine verstaubte Büchse Pfirsiche gefunden. In der Hütte war es gemütlich warm, da sie auch gelernt hatte, das Feuer nicht ausgehen zu lassen, und draußen unter dem Dachvorsprung war ein Tagesvorrat von nicht sonderlich gleichmäßig gehacktem Brennholz aufgestapelt.
    Immerhin war sie eine intelligente Frau. Das Erlernen handwerklicher Arbeiten überschritt gewiß nicht ihre Fähigkeiten. Sie war stolz auf ihre Leistungen, nicht weniger stolz als nach dem Schienen ihres ersten Beinbruchs. Der Preis waren brennende Schmerzen in

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