Die Meisterdiebin
halbem Weg zu seinem Schlafzimmer blieb er stehen. Nach kurzem Zögern drehte er um und ging zum Gästezimmer.
Vor der Tür zögerte er erneut, dann klopfte er. „Diana? Sind Sie noch wach?“
Keine Antwort. Leise trat er ein.
In der Ecke brannte eine Lampe, und ihr mildes Licht fiel auf das Bett. Diana lag zusammengerollt auf der Seite, die Arme schützend um sich, das Haar in rotgoldenen Wellen auf dem Kissen. Das Nachthemd gehörte Beryl und war ihr zu groß. Jordan wusste, dass er gehen sollte, aber er konnte nicht und setzte sich in den Sessel neben dem Bett. Wie klein sie aussah, wie schutzlos sie war.
„Meine kleine Diebin“, flüsterte er.
Plötzlich seufzte sie und schlug die Augen auf. Blinzelnd schaute sie zu ihm hoch.
„Es tut mir Leid.“ Er stand auf. „Ich wollte dich nicht wecken. Schlaf weiter.“ Er wandte sich zur Tür.
„Jordan?“
Er drehte sich um und verspürte den verrückten Wunsch, sie an sich zu ziehen und ihr die Angst zu nehmen.
„Ich … muss dir etwas sagen“, wisperte sie.
„Das kann bis morgen warten.“
„Nein. Es ist nicht fair von mir, dich mit hineinzuziehen und in Gefahr zu bringen.“
Er trat ans Bett. „Die Bombe. Im Auto. War sie für Guy?“
„Ich weiß es nicht.“ An ihren Wimpern glitzerten Tränen.
„Vielleicht. Vielleicht war sie auch für mich. Ich kann nicht sicher sein. Das ist das Schreckliche daran. Nicht zu wissen, ob ichsterben sollte. Ich denke dauernd …“ Sie sah ihn an. „Ich denke dauernd, es war meine Schuld … Das mit Guy. Er hat nichts Schlimmes getan. Nichts wirklich Schlimmes. Er war einfach nur zu gierig. Aber das hat er nicht verdient.“ Sie senkte den Blick. „Er hat es nicht verdient zu sterben.“
„Noch ist er am Leben.“
„Du hast die Explosion gesehen! Glaubst du allen Ernstes, jemand überlebt so etwas?“
„Nein. Um ehrlich zu sein, ich glaube nicht, dass er überlebt.“ Sie schwiegen einen Moment.
„Warum glaubst du, dass du die Zielscheibe gewesen sein könntest?“ fragte er.
„Weil …“ Sie holte tief Luft und stieß sie wieder aus. „Weil es schon einmal passiert ist.“
„Bomben?“
„Nein. Unfälle.“
„Wann?“
„Vor ein paar Wochen. In London. Ein Taxi hat mich fast überfahren.“
„In London kann das jedem passieren“, meinte er trocken und musterte sie.
„Das war nicht das einzige Mal.“
„Es gab noch einen Vorfall?“
Sie nickte. „In der U-Bahn. Ich stand auf dem Bahnsteig, und jemand versuchte, mich vor den Zug zu stoßen.“
Skeptisch starrte er sie an. „Bist du sicher, Diana? Meinst du nicht, jemand hat dich aus Versehen angerempelt?“
„Für wie dumm hältst du mich?“ fuhr sie ihn an. „Ich werdedoch wohl noch merken, wenn jemand mir einen Stoß verpasst!“ Schluchzend verbarg sie das Gesicht in den Händen.
Ihr Ausbruch kam so unerwartet, dass er zunächst nicht wusste, wie er reagieren sollte. Dann legte er ihr sanft eine Hand auf die Schulter. Diese eine Berührung reichte aus, etwas zwischen ihnen überspringen zu lassen. Ein Verlangen. Durch das zarte Nachthemd fühlte er die Wärme ihrer Haut und dachte daran, wie er sie vorhin geküsst und wie ihr Mund geschmeckt hatte.
Hastig unterdrückte er, was sich in ihm ausbreitete, und setzte sich aufs Bett. „Erzähl mir genau, was in der U-Bahn passiert ist.“
„Du glaubst mir sowieso nicht.“
„Gib mir eine Chance. Bitte.“
Sie sah ihn an. „Ich fiel auf die Schienen. Der Zug fuhr gerade ein. Ohne den Mann …“
„Ein Mann? Er hat dich hochgezogen?“
Sie nickte. „Ich weiß nicht einmal seinen Namen. Er zog mich auf den Bahnsteig. Ich wollte ihm danken, aber er sagte nur, ich sollte vorsichtiger sein. Und dann war er weg.“ Sie schüttelte den Kopf. „Mein Schutzengel.“
Jordan fragte sich, wie jemand so kaltblütig sein konnte, eine Frau vor die U-Bahn zu stoßen. „Warum sollte jemand dich umbringen? Was hast du getan?“
Sie zuckte zusammen, als hätte er sie geohrfeigt. „Was soll das heißen, was habe ich getan?“
„Ich versuche doch nur zu verstehen …“
„Glaubst du etwa, ich hätte das hier irgendwie verdient? Ich hätte mich schuldig gemacht?“ fragte sie empört.
„Diana, für einen Mord, einen Mordversuch gibt es meistens ein Motiv. Und du hast mir noch nicht gesagt, wie das aussehen könnte.“
Er wartete auf ihre Antwort, aber sie schwieg.
„Diana“, begann er leise. „Du musst mir vertrauen.“
„Ich muss niemandem vertrauen.“
„Wenn ich dir
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