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Die Meisterdiebin

Die Meisterdiebin

Titel: Die Meisterdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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überschritten und ein Land betreten, in dem es keine Grenzen, sondern nur unendliche Möglichkeiten gab.
    Mehr ist es nicht, sagte Clea sich streng. Möglichkeiten. Fantastereien, die im Nebel der Halbwahrheiten lauerten. Sie hatte ihm so viele Lügen, so viele verschiedene Versionen ihrer Geschichte erzählt. Die schlimmste Wahrheit kannte er noch nicht. Wer sie war. Was sie war.
    Was sie gewesen war.
    „Wohin willst du als Nächstes?“ fragte er.
    „London. Ich schaffe das hier nicht allein, das ist klar. Meine …
    Partner werden die Nachforschungen fortsetzen.“
    „Und was wirst du tun?“
    Sie lächelte. „Einen leichteren Fall übernehmen. Einen, bei dem keine Autobomben explodieren.“
    „Diana, falls du je meine Hilfe brauchst …“
    Ihre Blicke trafen sich, und in seinem sah sie mehr als nur das Angebot, ihr zu helfen. Sie wehrte sich gegen die Versuchung, ihm alles zu sagen und ihn damit in Gefahr zu bringen.
    Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe ein paar sehr fähige Kollegen, die sich um mich kümmern werden. Trotzdem danke.“
    Er nickte kurz und sprach das Thema nicht mehr an.
    Der Mann im grauen Anzug saß auf dem Bahnsteig, blätterte in einer Zeitung und behielt über den Rand hinweg die Fahrgäste im Auge, die auf den Zwölf-Uhr-Fünfzehn-Zug nach London warteten. Plötzlich entdeckte er Clea Rice. Sie kam aus dem Waschraum und trug ein Kostüm mit Hahnentrittmuster, das ihr zu groß war. Das Haar war fast völlig unter einem Kopftuch verborgen. Nur ein paar rote Strähnen schauten hervor. Das und die Art, wie sie sich bewegte, verrieten sie. Sie schaute sich immer wieder nervös um und hielt sich von der Bahnsteigkante fern.
    Unauffällig tastete er nach der Automatik, die er unter der Achsel trug. Nein, nicht hier.
    Er beschloss, sie in den Zug steigen zu lassen und ihr zu folgen. Vielleicht ergab sich eine bessere Gelegenheit, wenn sie wieder ausstieg …
    Er holte die Fahrkarte heraus und mischte sich unter die anderen Reisenden.
    Clea Rice nahm also den Zwölf-Uhr-Fünfzehn nach London. Nicht sehr schlau von ihr, dachte Charles Ogilvie, während er hinter ihr in der Schlange am Fahrkartenschalter stand. Ihr von Chetwynd zum Bahnhof zu folgen war kein Problem gewesen. Jordan Tavistocks champagnerfarbener Jaguar war nicht gerade das unauffälligste Gefährt.
    Und jetzt wollte sie am helllichten Tag in einen Zug steigen und nach London fahren.
    Ogilvie kaufte seine Karte und folgte der Frau auf den Bahnsteig, wo sie sofort im Waschraum verschwand. Er wartete. Etwa zwei Dutzend Reisende warteten mit ihm. Eine Mischung aus Geschäftsleuten und Hausfrauen.
    Ogilvie musterte sie aus den Augenwinkeln, bis er einen Mann im grauen Anzug entdeckte, der eine Zeitung unter dem Arm trug und ihm bekannt vorkam. Woher?
    Das Krankenhaus. Gestern Abend. Der Mann hatte sich am Kiosk in der Eingangshalle eine Zeitung gekauft.
    Und jetzt stieg er in den Zwölf-Fünfzehn nach London. Direkt hinter Clea Rice.
    Das Adrenalin strömte durch Ogilvies Adern. Wenn etwas geschehen würde, dann bald. Vielleicht nicht hier, aber im Zug oder beim nächsten Halt. Eine Pistolenmündung am Hinterkopf. Clea Rice würde sterben, ohne ihren Mörder gesehen zu ha ben.
    Der Mann im grauen Anzug schob sich näher an Clea heran.
    Ogilvie drängte sich nach vorn, die Jacke aufgeknöpft, das Schulterholster in Griffweite, den Blick auf den Mann gerichtet. Wenn es so weit war, musste er blitzschnell handeln, sonst war Clea Rice verloren.
    Eine zweite Chance würde er nicht bekommen, dessen war er sich bewusst.
    Sie war fast da. Fast da.
    Clea ballte die Faust um die Fahrkarte, als wäre sie ein Talisman, während der Zug einfuhr. Sie dachte an den Vorfall in der U-Bahn und ließ anderen den Vortritt. Nie wieder würde sie an einer Bahnsteigkante stehen, wenn ein Zug kam.
    Der Zug hielt. Die Reisenden stiegen ein.
    Clea drängte sich ins Gewühl. Sie hatte den Fuß auf die erste Stufe des Waggons gestellt, als eine Hand ihren Arm ergriff und sie zurück auf den Bahnsteig zog.
    Sie wirbelte herum und hob einen Arm, um den Angreifer abzuwehren. Kurz bevor ihre Fingernägel sich in sein Gesicht bohrten, erstarrte sie.
    „Jordan?“ sagte sie entgeistert.
    Er packte ihr Handgelenk. „Lass uns von hier verschwinden.“
    „Was soll das?“
    „Das erkläre ich dir später. Komm jetzt.“
    „Aber ich will den Zug …“
    Er zerrte sie hinter sich her. Sie versuchte, sich loszureißen, aber er umfasste ihre Schultern und drückte sie

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