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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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währte, ließ ich das ganze Land daran teilnehmen; in meinen Ställen gab es genügend Pferde, um einem Dragonerregiment als Beritt zu dienen, und in meinem Keller Weinfässer, aus denen sich ganze Grafschaften jahrelang hätten berauschen können. Castle Lyndon wurde zum Hauptquartier von Scharen bedürftiger Gentlemen, und nie ritt ich zur Jagd ohne ein Dutzend junger Burschen aus den besten Familien der Grafschaft, die mich als Knappen und Stallmeister begleiteten. Mein Sohn, der kleine Castle-Lyndon, war ein Prinz; seine Erziehung und Manieren erwiesen ihn schon in zartem Alter als der beiden vornehmen Familien würdig, denen er entstammte; ich weiß nicht mehr, welche großen Hoffnungen ich für den Jungen hegte, gab mich jedoch sicherlich tausend schönen Träumen hinsichtlich seines künftigen Erfolgs und seiner Stellung in der Welt hin. Aber das herbe Schicksal hatte beschlossen, dass mich keiner
meines Geschlechts überleben sollte, und hatte festgesetzt, dass ich meine Laufbahn so beenden würde, wie ich sie jetzt enden sehe – arm, einsam und kinderlos.
    Ich mag meine Fehler gehabt haben, aber niemand soll mir nachzusagen wagen, ich sei kein guter und liebevoller Vater gewesen. Ich habe diesen Jungen mit Leidenschaft und, vielleicht, mit blinder Voreingenommenheit geliebt; ich habe ihm nichts abgeschlagen. Und ich schwöre, ich wäre frohen Herzens gestorben, wenn dadurch sein vorzeitiges Verhängnis hätte abgewendet werden können. Ich glaube, seit ich ihn verlor, ist kein einziger Tag vergangen, an dem nicht sein munteres Gesicht und sein wunderbares Lächeln aus dem Himmel, in dem er weilt, auf mich herabgeblickt haben und mein Herz sich nicht nach ihm sehnte. Dieses liebe Kind wurde mir im Alter von neun Jahren genommen; er war damals in der Blüte seiner Schönheit und eine Verheißung, und die Erinnerung an ihn zieht mich immer noch so sehr in Bann, dass ich ihn nie habe vergessen können. Nachts verfolgt mich sein kleiner Geist auf meinem ruhelosen, einsamen Kissen, und oft denke ich auch in der wüstesten und verrücktesten Gesellschaft an ihn, wenn die Flasche
kreist und Gesang und Gelächter ringsum branden. Eine Locke seines weichen braunen Haars hängt nun von meinem Hals; sie wird mich ins schändliche Armengrab begleiten, in das Barry Lyndons erschöpftes altes Gebein ohne Zweifel bald gelegt wird.
    Mein Bryan war ein Junge von erstaunlicher Munterkeit (aber wie hätte es denn bei seiner Abstammung auch anders sein können?) und oft selbst der Lenkung durch mich überdrüssig, gegen die sich der liebe kleine Strolch häufig tapfer auflehnte; und wie viel mehr erst gegen seine Mutter und andere Frauen, deren Versuche, ihn zu leiten, er mit Hohngelächter beantwortete. Sogar meine Mutter («Mrs Barry of Lyndon» nannte sich die gute Seele jetzt zu Ehren meiner neuen Familie) war völlig außerstande, ihn im Zaum zu halten, und daran kann man sehen, wie eigenwillig er war. Wäre dies nicht der Fall gewesen, könnte er vielleicht heute noch leben; er könnte… Aber wozu jammern? Ist er denn nicht an einem besseren Ort? Würde ihm das Erbe eines Bettlers irgendwie nützen? So wie es ist, ist es am besten – der Himmel erbarme sich unser! Ach, dass ich, sein Vater, ihn überleben musste, um ihn zu beweinen!
    Im Oktober war ich nach Dublin gereist und
wollte dort einen Anwalt und einen Mann mit reichlich Kapital treffen, die nach Irland gekommen waren, um sich mit mir über gewisse Veräußerungen zu beraten und über die Wälder von Hackton zu sprechen; da ich diese Stätte hasste und dringend Geld brauchte, war ich entschlossen, auch den letzten Schössling fällen zu lassen. Es hatten sich in diesem Zusammenhang jedoch ein paar Schwierigkeiten ergeben. Es hieß, ich hätte kein Recht, das Holz anzurühren. Das dumpfe Bauernpack des Guts war zu einem derartigen Hass auf mich angestachelt worden, dass die Lümmel sich tatsächlich weigerten, eine Axt an die Bäume zu legen, und mein Agent (Larkins, dieser Schurke) erklärte, sein Leben sei dort in Gefahr, wenn er versuchen sollte, den Besitz weiter zu plündern (wie sie es nannten). Inzwischen war jedes einzelne Stück der prächtigen Einrichtung verkauft worden, wie ich wohl nicht eigens betonen muss, und was das Silbergeschirr angeht, so hatte ich natürlich dafür gesorgt, dass es nach Irland gebracht wurde, wo es sich nun in den allerbesten Händen befand, denen meines Bankiers, der mir darauf sechstausend Pfund vorgestreckt hatte, eine

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