Die Menschenleserin
kein Problem sein.« Sein Blick fiel auf das Blut an seinen Fingern.
»Liebling, wenn du nicht angerufen hättest, weiß ich nicht, was geschehen wäre.«
Nachdem er und Jennie im Butterfly Inn eingecheckt hatten, hatte Pell den Namen des neuen Verstecks auf dem Anrufbeantworter in Rebeccas Wohnung hinterlassen. Der morgendliche Anruf im Sea View Motel hatte von Rebecca gestammt, die ihn hektisch flüsternd warnte, die Polizei sei dorthin unterwegs – Kathryn Dance habe sich erkundigt, ob die Frauen ihr im Fall einer Geiselnahme behilflich sein würden. Pell hatte nicht gewollt, dass Jennie schon von Rebecca erfuhr, also hatte er sich die Geschichte mit dem Zimmermädchen ausgedacht.
»Wir hatten Glück«, sagte Rebecca nun und wischte sich den feuchten Dunst aus dem Gesicht. Pell fand, dass sie ziemlich gut aussah. Jennie war nicht schlecht im Bett gewesen, aber keine große Herausforderung. Rebecca hingegen konnte ihn die ganze Nacht auf Trab halten. Er spürte, dass sich in ihm etwas regte und der Ballon anwuchs.
»Wie halten meine kleinen Mädchen sich unter dem Druck?«
»Sie zanken sich und machen mich wahnsinnig. Ich meine, es ist so, als wäre nicht ein Tag vergangen. Genau wie vor acht Jahren. Außer dass Linda mittlerweile zu Gott gefunden hat und Sam nicht mehr Sam ist. Sie hat ihren Namen geändert. Und sie hat jetzt Titten.«
»Und die beiden helfen tatsächlich den Cops?«
»Oh, und wie. Ich habe mich nach Kräften bemüht, sie in die Irre zu führen. Aber ich konnte nicht zu offensichtlich vorgehen.«
»Und sie haben dir gegenüber keinen Verdacht geschöpft?«
»Nein.«
Pell küsste sie erneut. »Du bist die Beste, Baby. Ich bin nur deinetwegen hier.«
Jennie Marston hatte lediglich als Marionette fungiert; geplant worden war alles von Rebecca. Nach der endgültigen Ablehnung seiner Revision hatte Pell angefangen, an Flucht zu denken. Es war ihm gelungen, in Capitola unbeaufsichtigt mit Rebecca zu telefonieren. Daraufhin hatte sie eine ganze Weile überlegt, wie man den Ausbruch bewerkstelligen könnte. Aber es hatte sich keine Gelegenheit geboten, bis Rebecca ihm kürzlich erzählte, ihr sei da eine Idee gekommen.
Sie hatte von dem ungelösten Mord an Robert Herron gelesen – mit dem Pell nichts zu tun gehabt hatte – und beschlossen, Pell zum Hauptverdächtigen zu machen, damit man ihn zur Anklagevernehmung und Verhandlung in eine weniger gesicherte Einrichtung verlegen würde. Aus der Zeit mit der Familie in Seaside besaß Rebecca noch einige seiner Werkzeuge und versteckte sie nun in der Garage seiner Tante in Bakersfield.
Pell hatte unterdessen seine Fanpost nach einer geeigneten Kandidatin durchsucht. Er entschied sich für Jennie Marston, eine Frau in Südkalifornien, die an akuter Bösewichtverehrung litt. Sie schien wunderbar verzweifelt und verletzlich zu sein. Da er nur sehr begrenzten Zugang zu Computern hatte, richtete Rebecca eine nicht zurückverfolgbare E-Mail-Adresse ein und gab sich als Pell aus, um Jennies Herz zu gewinnen und den Plan in die Tat umzusetzen. Jennie hatte nur etwa eine Stunde von Rebecca entfernt gewohnt – was einer der Gründe war, aus denen man sie ausgewählt hatte -, sodass diese sie nun ausspionieren und Einzelheiten über sie herausfinden konnte, die Pell ermöglichen würden, ihr die große spirituelle Verbundenheit vorzuheucheln.
Oh, du bist so sehr wie ich, Liebling, als wären wir zwei Seiten derselben Münze.
Ihre Vorliebe für Kardinäle und Kolibris, die Farbe Grün, mexikanisches Wohlfühlessen... In dieser schäbigen Welt braucht es nicht viel, um jemanden wie Jennie Marston zu deiner Seelenverwandten zu machen.
Schließlich überzeugte Rebecca – als Pell – die junge Frau davon, dass er an den Croyton-Morden keine Schuld trage, und brachte sie dazu, bei seiner Flucht behilflich zu sein. Nachdem Rebecca das Gerichtsgebäude von Salinas ausgespäht sowie bei dem Versandladen die täglichen Liefertermine der Paketdienste in Erfahrung gebracht hatte, war ihr die Idee mit der Benzinbombe gekommen. Jennie Marston erhielt von ihr Anweisungen: den Hammer stehlen, eine falsche Brieftasche anfertigen, beides in dem Brunnenschacht verstecken. Danach bekam sie den Bauplan für den Brandsatz und die Information, wo der feuerfeste Anzug und der Beutel für seine Deponierung zu kaufen seien. Per E-Mail blieb Rebecca mit Jennie in Kontakt, und als alles fertig zu sein schien, hinterließ sie im »Manslaughter«-Forum eine entsprechende
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