Die Mission
wehmütig. »Du bist das Kostbarste, was ich auf dieser Welt habe, und ich bin stolz, Vater einer so starken und selbstständig denkenden Tochter zu sein, doch jetzt bitte ich dich, all deine Kraft und Selbstständigkeit aufzubringen und nicht auf das zu hören, was dir dein Herz sagt. Die Demi-Monde ist mit einem großen Unheil konfrontiert, und es liegt in jedermanns Verantwortung, sich diesem Unheil entgegenzustellen, selbst wenn er es mit dem Leben bezahlen muss. Mein Leben ist vorbei …«
Trixie verschlug es die Sprache. »Was redest du da, Vater? Wir können fliehen und uns verstecken.«
Dashwood schüttelte den Kopf. »Nein, mein Schicksal ist besiegelt. Ich kann nicht fliehen, Trixie. Wenn ich es versuche, würde man mich erwischen, und dann hättest auch du keine Chance mehr. Außerdem habe ich eine größere Aufgabe zu erfüllen.« Dann wandte er sich zu Dabrowski um. »Gibt es unter Ihren Leuten hier auf Dashwood Manor Männer, auf die Sie sich voll und ganz verlassen können, Männer, denen Sie Ihr Leben anvertrauen würden?«
Der Hauptmann dachte nach. »Mein Unteroffizier und vier andere.«
»Das reicht nicht.«
»Reicht nicht wozu?«
»Unter der Oberbaum-Brücke am Rhein haben zwei Kähne festgemacht, voll beladen mit Gewehren und Munition. Es sind veraltete Waffen, die für den Export ins Quartier Chaud vorgesehen sind, aber trotzdem brauchbar. Ein entschiedener und mutiger Hauptmann mit einer Kompanie von tapferen Soldaten, die den Tod nicht fürchten, könnte an Bord der Schiffe gehen und im Schutz der Dunkelheit bis zum Ghetto fahren.«
Der Hauptmann konnte seine Aufregung kaum verhehlen. »Innerhalb einer Stunde habe ich in Warschau eine solche Kompanie zusammen. Entweder wir nehmen uns diese Kähne oder wir sterben beim Versuch. Sie müssen mir nur sagen, wo sie festgemacht haben.«
»Sofort. Doch zuerst muss ich eine Zusage von Ihnen haben, Hauptmann. Sie müssen mir als Offizier und Gentleman schwören, dass Sie bei Ihrer Flucht aus Dashwood Manor meine Tochter Trixie mitnehmen.«
»Nein«, rief Trixie. »Ohne dich gehe ich nirgendwohin.«
Sie konnte nicht fassen, was sie soeben gehört hatte. Dieser Mann, der Fels in ihrem Leben, der sie über den Tod der Mutter hinweggetröstet hatte, der fest zu ihr gestanden hatte, als man sie rügte, der ihr beigebracht und sie davon überzeugt hatte, dass sie genauso viel wert war wie jeder Mann, sprach jetzt davon, sie im Stich zu lassen? Das war unmöglich. Sie würde an seiner Seite leben und notfalls auch sterben.
Doch ihr Vater war genauso entschlossen.
»Es wird dir aber nichts anderes übrig bleiben. Ich muss an dieser Sitzung heute Abend teilnehmen. Würde ich vorher verschwinden, gäbe es einen Riesenaufruhr; deine Abwesenheit hingegen lässt sich viel leichter erklären. Ich kann sagen, dass dich die Begegnung mit dem Führer überwältigt hat, schließlich bist du ja nur ein Mädchen.« Dashwood beugte sich vor und ergriff die Hand seiner Tochter. »Wir haben keine andere Wahl, Trixie. Wenn du darauf bestehst hierzubleiben, sind wir beide verloren. Mit der Unterstützung des Hauptmanns aber könntest wenigstens du überleben. Habe ich Ihr Ehrenwort, Dabrowski, dass Sie alles in Ihrer Macht Stehende unternehmen werden, um meine Tochter Trixie zu beschützen und zu retten?«
»Jawohl.«
Dashwood öffnete eine Schublade, nahm eine Akte heraus und übergab sie Dabrowski. »Hier sind alle Details über den Standort der Kähne verzeichnet.«
Der Hauptmann nahm die Akte und blätterte hastig durch die Seiten. »Danke, Sir, danke im Namen des polnischen Volkes, das im Warschauer Ghetto gefangen ist. Das hier wird ihnen Hoffnung schenken.« Dabrowski schlug die Akte zu und blickte Dashwood ernst an. »Sie sollen wissen, dass ich meine Flucht während der Séance geplant habe, Sir. Wenn Heydrich und seine Entourage im Ballsaal sind, wird sich die Wachmannschaft ausruhen, und ihre Wachsamkeit wird nachlassen. Ich will versuchen, sie mit einer List abzulenken, damit sie ihre Posten verlassen.«
»Ich glaube, dass ich Ihnen dabei behilflich sein kann, Hauptmann. Ich hatte einen Plan ausgeheckt, um Heydrichs Unternehmen Barbarossa zu torpedieren, jetzt aber sehe ich mich genötigt, ihn vorwegzunehmen. Ich habe die Royalisten im Covener Exil bereits davon unterrichtet, dass das ForthRight plant, Coven anzugreifen, doch jetzt muss ich konkretere Schritte einleiten.« Damit nahm er einen Revolver aus der Schublade, in der sich die Akte befunden
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