Die Mission
»Wenn ich mich drücke, geht Burlesque in die Luft. Auf alle Fälle würde sich dieser Morris dann erst recht bemüßigt fühlen herauszufinden, wer ich bin. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Sollte er herausfinden, dass Mephisto niemand anderes ist als Vanka Maykow, werde ich ganz schön tief in die Tasche greifen müssen. Künstlernamen müssen im Ministerium registriert werden.«
»Es gäbe da einen Ausweg«, sagte Ella leise.
»Unter keinen Umständen!«
»Bringen Sie mich ins Spiel, Vanka. Keine Tricks, ich schaffe das schon. Sie wissen doch, was ich alles kann.«
»Das geht nicht, er hat Sie bereits gesehen.«
»Da trug ich meinen Schleier. Er würde mich niemals wiedererkennen. Und Sie stellen mich als Mambo Marie Laveau vor, eine WhoDoo Mambo.«
Marie Laveau? WhoDoo? Wo zum Teufel hatte PINC das nun wieder her?
Ella konnte die kleinen Rädchen, die in Vankas Kopf surrten, beinahe hören. »Sind Sie sicher, dass Sie das packen?«
»Keine Sorge, Vanka. Überlassen Sie alles mir.«
»Sehr verehrte Damen und Herren«, erklärte Vanka, als er vor die Anwesenden trat, die in Erwartung der bevorstehenden Séance am Tisch Platz genommen hatten, »mein Name ist Mephisto.«
Es folgte verhalten höflicher Beifall, an dem sich Morris nicht beteiligte, wie Ella aus den Kulissen beobachten konnte.
»Als Seher bin ich stets bestrebt, immer tiefer in die Spirituelle Welt einzudringen, und nehme daher die Hilfe von Menschen in Anspruch, die meine Fähigkeiten ergänzen. Unbestreitbar können sich zwei Seher, die eine spirituelle Einheit eingehen, klarer in die seltsame Welt vertiefen, die sich hinter der Realität unserer Demi-Monde verbirgt. Leider kommt eine solche spirituelle Einheit nur selten vor, aber während meiner Reisen durch die Demi-Monde bin ich auf eine Frau gestoßen, die über solche Kräfte und Gaben verfügt, meine Damen und Herren, und nun können wir zusammen Dinge vollbringen, die Medien nie zuvor gelungen sind. Man mag die magischen Kräfte der WhoDoo Mambos aus NoirVille belächeln, heute Abend aber werden Sie die erstaunlichsten Leistungen übersinnlicher Wahrsagerei miterleben, die je vollbracht wurden. Ich sage dies, um Sie zu warnen. Sollten Sie die verborgenen Geheimnisse der Zukunft, die Sie erwartet, lieber nicht erfahren wollen, so darf ich Sie bitten, den Saal zu verlassen, bevor es zu spät ist.«
Niemand rührte sich, doch die Atmosphäre im Raum wurde merklich ernster. Bewundernd beobachtete Ella, wie Vanka das Publikum bearbeitete. Wenn es darum ging, den anderen Schwachsinn aufzutischen, war Vanka Maykow unschlagbar.
»Na schön«, fuhr er fort, und sein Tonfall wurde noch eine Spur düsterer. »Darf ich darum bitten, alle Lichter im Raum zu löschen, mit Ausnahme der Lampe über der Bühne?« Einer von Burlesques Lakaien befolgte die Anweisung. »Und jetzt, meine sehr verehrten Damen und Herren, habe ich die große Ehre, Ihnen die erstaunliche, unübertroffene, phänomenale Hohepriesterin der WhoDoo-Magie vorzustellen, die Große Mambo persönlich … Miss Marie Laveau!«
Auf dieses Stichwort hin rauschte Ella auf die Bühne und trat neben Vanka in den Lichtkegel der einzigen brennenden Gaslampe über ihren Köpfen. Es war ziemlich überwältigend, auf der Bühne zu stehen und vor einem Publikum von zwanzig Leuten, die jede ihrer Gesten beobachteten, die Hellseherin zu spielen.
Ella war sich bewusst, dass sie ihrer Rolle perfekt entsprach.
Sie hatte nur zehn Minuten Zeit gehabt, um sich ein passendes Kostüm zusammenzuschneidern, doch das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Einer von Burlesques neuen blau-goldenen Brokatvorhängen hatte dran glauben müssen. Sie hatte ihn einmal gefaltet und mit dem Messer einen Schlitz in die Falte geschnitten. Dann hatte sie den Kopf durch den Schlitz gesteckt, sodass der Vorhang ihr wie ein großes Gewand bis auf die Füße fiel. Das verlieh ihr ein leicht orientalisches Flair, vor allem, weil sie dazu ihren schwarzen Schleier trug, der ihr Gesicht vollständig verhüllte.
Das Publikum schnappte nach Luft, während sie mit ausgestreckten Armen auf der Bühne stand; es war nicht zu übersehen, dass alle Zuschauer am Tisch beeindruckt waren.
Vanka stellte sich hinter sie und legte ihr die Hände auf die Schultern.
»Bitte reichen Sie sich jetzt die Hände«, sagte Vanka zu den Anwesenden, »dann können wir beginnen.«
Als alle Hand in Hand dasaßen, rezitierte er eine lange ausschweifende Zauberformel und bat die Geister,
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