Die Mondrose
verschlossen. Eine Einladung zum Geburtstagsfest von Nora Weaver erging allein an Esther. Gegen Tränen der Wut kämpfend, hatte Mildred sie ausgeschlagen.
Sie hatte Portsmouth von dem Moment an geliebt, in dem sie das erste Mal ihren Fuß auf seinen Boden setzte. So freundlich und im Handumdrehen zu erobern hatte die kleine Stadt auf sie gewirkt, doch unter der lächelnden Oberfläche besaß sie einen Kern aus Eisen, an dem Mildred sich die Stirn blutig schlug.
Sie hatte auch Hyperion beinahe vom ersten Moment an geliebt. Sie hatte ihm alles geopfert, und er lächelte freundlich und gab sich wie Wachs in ihren Händen, doch in seinem Inneren besaß er einen Kern aus Eisen, an dem Mildreds blutig geschlagene Stirn allmählich zerbrach. Sie taten beide dasselbe, Hyperion und seine Stadt: Sie zeigten Mildred auf ihre snobistische Weise, die nie fluchte und nie aus der Rolle fiel, dass sie auf ihre Liebe keinen Wert legten. Ich kann tun, was ich will, für die beiden wird es nie genügen. Ich gebe alles, und für sie ist es nichts. Sie lassen mir keine Chance.
An diesem Abend ging sie noch einmal ins Kinderzimmer und stand lange am Bett der schlafenden Phoebe, betrachtete das kleine, ein wenig nichtssagende Gesicht auf dem Kissen und schwor ihr: Was ich nicht haben kann, wirst du bekommen. Wenn sie es mich nicht erobern lassen, werde ich es für dich kaufen. Ich werde Geld wie Heu scheffeln, bis es nichts mehr gibt, das ich dir nicht kaufen kann – Anerkennung, Respekt, Würde. Und jeden verfluchten Mann, der dir gefällt.
Sie ließ den Springbrunnen herausreißen. Diskret erkundigte sie sich nach einer Beratung in Stilfragen und wählte künftig nicht mehr selbst aus, wenn sie Neuanschaffungen für das Hotel machte, sondern konsultierte ihren Berater. Die Saison des Jahres 1868 sollte den Erfolg der Vorjahre in den Schatten stellen. Jede Suite, jedes Zimmer hätte sie zweimal vermieten können, und viele der Gäste buchten für das kommende Jahr im Voraus. »Wir hatten das Victoriana im Auge, weil es für geschmackvolle Ausstattung bekannt ist«, vertraute ihr die Gattin eines Londoner Handelsmagnaten an. »Sie wissen schon, jene Art von Stil, die man nicht kaufen kann. Da wir mit unserer Buchung zu spät kamen, wichen wir zu Ihnen aus und wurden nicht enttäuscht. Ich wage sogar zu behaupten, an Erlesenheit und Klasse vermag Ihr Haus das Victoriana noch zu übertreffen.«
Erzählt mir nur immer weiter, dass man euren ach so einzigartigen Stil nicht kaufen kann, triumphierte Mildred im Inneren. In der Zwischenzeit nehme ich euch Geld ab und kaufe mir Berge davon. Sie würde wiederum anbauen müssen, sie würde die Reitbahn verkleinern und einen Tennisplatz anlegen lassen. Wenn die letzten Gäste abgereist wären, hätte sie Arbeit genug, um jeden Schmerz in ihr im Keim zu ersticken.
Kapitel 28
Portsmouth Dockyards, Herbst 1868
W enn er Zeit abzweigen konnte, was nicht oft vorkam, verbrachte Hector sie in den Docks. Je häufiger er sich dort aufhielt und sah, wie rasant der Fortschritt, der sich anderswo schleppte, voranpreschte, desto heftiger verspürte er den Wunsch, seine Hand mit im Spiel zu haben, an dem Getriebe zu drehen, das hier die Weltgeschicke bewegte. Durch Portsmouth zuckelte die neue Tram, die von Pferden gezogen wurde und deshalb eher wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten denn wie eine brandneue Erfindung anmutete, und der Eisenbahnbau ging nicht wie erhofft voran. Hinter den Mauern, auf dem Trockendock, auf dem demnächst mit dem Bau des neuesten englischen Kriegsschiffs begonnen werden würde, hatte sich das Leben um hundertachtzig Grad gedreht. Die Werkstätten sahen aus, als hätte es die Zeit, in der Windjammer aus Holz den Erdball umsegelten, nie gegeben, und doch war diese Zeit kein Vierteljahrhundert her.
Hector hatte weiterhin Zugang zu den Docks, weil er offiziell noch immer als Zulieferer eingetragen war, auch wenn der Holzhandel seit Jahren ruhte. Holz hatte seine besten Tage hinter sich. Eisenverkleidung hieß im Schiffsbau die Parole der Zukunft. Aber das war beileibe nicht die einzige Neuerung. Durch seinen Schwager, den Port Admiral, wusste Hector, was es mit dem Schiff, dem die Betriebsamkeit im Dock galt, auf sich hatte. Es würde ohne Masten segeln. Es würde überhaupt nicht segeln. Die Ära des im Wind geblähten Leinens war ebenso zu Ende wie die der aus Latten gezimmerten Planken. Die neuen Schiffe würden hart, schnell und seelenlos sein, zu höchster Leistung fähige
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