Die Mondrose
Prügel, aber er sprach keine Handvoll Worte, wurde immer hässlicher und zog sich auf Kindergesellschaften so linkisch in sich selbst zurück, dass Bernice sich schämte. Eine Charme versprühende Schönheit war auch Nora nicht, aber sie betrug sich immerhin den Regeln entsprechend und würde mit tadellosem Ruf und stattlicher Mitgift eine glänzende Partie machen. Der Stammhalter hingegen, für den er sein Imperium aufbaute, sabberte beim Essen, heulte bei jeder Maulschelle und machte sich die Hosen nass. Weshalb hatte ausgerechnet die Natter Maria davon Wind bekommen müssen?
Als wäre das nicht genug, hatte Hector sich mit zwei Inspektoren der Stadt herumschlagen müssen, die behaupteten, bei einem Unfall mit einem seiner Gasherde wäre eine junge Mutter um ein Haar erstickt. Mit den Engelszungen eines Wanderpredigers versuchte Hector die beiden davon zu überzeugen, dass es mit seinen Gasherden, wenn sie fachgerecht installiert waren, keine Unfälle gab – sie waren um vieles sicherer als die alten Kohleöfen. Käme dennoch jemand durch das Gas zu Schaden, so handle es sich keineswegs um einen Unfall, erklärte Hector den Herren, sondern um einen Versuch, sich das Leben zu nehmen.
Die Inspektoren hörten ihn nicht einmal zu Ende an. Ob er der Mutter etwa eine solche Sünde unterstellen wolle, fragten sie und beorderten ihn, eine Überprüfung der Leitungen auf seine Kosten vorzunehmen. Hector würde wieder einmal Henry Lewis’ Hilfe in Anspruch nehmen müssen, um die übereifrigen Staatsdiener in die Schranken zu weisen. Nach allem, so fand er, hatte er eine kleine Freude am Abend verdient. »In einem Club sind Sie ja wohl kaum Mitglied?«, fragte er den Deutschen.
Der senkte den Kopf. »Fremde nehmen sie da nicht.«
»Auch keine Hungerleider, mein Bester.« Hector lachte und klatschte dem Deutschen aufs Schulterblatt. »Na kommen Sie, gehen wir ins Victoriana. Eine bessere Weinkarte finden wir in ganz Portsmouth nicht.«
»Dafür bin ich nicht angezogen«, murmelte der Deutsche und zupfte an seinem abgewetzten Revers.
»Natürlich sind Sie das nicht. Aber Frederic Ternan wird ein Auge zudrücken. Zur Not gewähre ich ihm einen Nachlass auf die Gaskocher, mit denen er seine Hotelküche ausstatten lässt.« Hector hätte jetzt aus vollem Halse lachen mögen. Dem Deutschen voran verließ er das Büro.
Das Victoriana hatte sich zum glanzvollsten Luxushotel der Küste gemausert. Den Erfolg verdankte Frederic Ternan seinem Geschmack und seinem Geschäftssinn ebenso wie seiner Diskretion. Er fragte nicht, warum Hector ihn um einen Tisch in der Nische bat, in der sonst stadtbekannte Persönlichkeiten mit ihren Flittchen speisten, und er fragte ihn auch nicht, warum er einen ehemaligen Navvy im schäbigen Anzug zum Trinken ausführte. Hector ließ einen schweren Burgunder servieren und fühlte sich geradezu glücklich. Der Deutsche, für den Tisch, Stuhl und Glas zu klein geraten schienen, kauerte ihm gegenüber wie ein Raubtier vor der Peitsche des Dompteurs – eingeschüchtert, bebend vor Misstrauen und dabei atemberaubend in seiner rohen, ungezähmten Schönheit.
Als er die zweite Flasche bestellte, begann seine Laune sich zu verdüstern. Dass der Mann einsilbig blieb, dass er ihn weder verleiten konnte, zu viel zu trinken, noch ihm sein Herz auszuschütten, brachte ihn auf. »Nun mal raus mit der Sprache, März«, sagte er. »Sie sind doch kein ganz hässlicher Bursche – Sie werden wohl ein Liebchen haben?«
»Nein, Mr Weaver«, erwiderte der Deutsche wie ein Schuljunge.
»Und das soll ich Ihnen glauben?«
»Ja, Mr Weaver.«
Hector nahm die Flasche und schenkte März das Glas bis kurz vor dem Überlaufen voll. Er hatte nicht übel Lust, diesem Schweiger in sein unbewegtes Gesicht zu schlagen. »Jetzt wird hier mal wie ein Mann getrunken, nicht wie ein Klosterfräulein. Ich hatte mir nämlich eine hübsche Überraschung für Sie ausgedacht, um mich für Ihre Treue erkenntlich zu zeigen. Aber wenn Sie es nicht für nötig halten, mir ein wenig Vertrauen entgegenzubringen …«
»So ist es doch nicht, Mr Weaver …« Mit einer Mühe, die Hector zum Prusten reizte, hob er das übervolle Glas an die Lippen. Der Wein schwappte über den Rand und lief ihm auf die Manschetten, auf deren Weiße er so peinlich Wert legte. Beim Trinken hatte er keine Wahl, als zu schlürfen, oder er hätte noch mehr verschüttet.
»Wie ist es denn dann?«, fragte Hector.
»Ich bitte um Verzeihung …« Mit der Serviette
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