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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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verschwand.
    »Verdammt und zugenäht!« sagte ich vor mich hin. »Der Teufel hole die ganze Schule! Nichts wie Kinderkram!«
    Die Familie setzte sich gerade zu Tisch, als ich kam. Die Kinder glänzten vor Sauberkeit. Irene saß schon an ihrem Platz, während Essie ihrer Mutter am Herd half.
    »Guten Abend, die Herrschaften!« begrüßte ich sie.
    »Wo hast du bloß solange gesteckt, Frankie?« sagte meine Tante. »Wasch dich noch schnell. Wir hätten beinahe ohne dich angefangen.«
    Betroffen starrte ich sie an. Diesen fast strengen Ton waren wir nicht bei ihr gewohnt. Ihr Gesicht schien von lauter kleinen Sorgenfalten durchzogen zu sein. »Du kennst mich doch, Tante Bertha«, sagte ich und versuchte, sie zum Lachen zu bringen. »Wenn es ums Essen geht, bin ich immer pünktlich zur Stelle.«
    Die Kinder lachten. »Das stimmt, Mutti«, sagte Essie, »zum Essen kommt er nie zu spät.«
    Ich ging ins Wohnzimmer. Mein Onkel saß in einem Sessel am Fenster und schien, die Hände nervös um die Lehnen gekrampft, vor sich ins Leere zu starren. »Onkel Morris, du hier? Da bin ich aber überrascht. Ich dachte nicht, daß du schon zu Hause seist.«
    »Hallo, Frankie. Ich bin etwas früher heimgekommen.« Er versuchte zu lächeln, aber es wurde nur eine Grimasse daraus. »Ich war ein wenig abgespannt.«
    Ich ging ins Bad, um mir die Hände zu waschen. Ich rief ihm zu: »Geh lieber schon zum Essen. Sie wollen jetzt anfangen.«
    »Ich bin nicht hungrig.« Die Antwort kam so leise, daß ich sie kaum hören konnte.
    Irgend etwas stimmt da nicht, dachte ich. Ich fühlte die Spannung, die in der Luft lag. Mir war unbehaglich, und ich überlegte, ob ich mir etwas hatte zuschulden kommen lassen.
    Aber es fiel mir nichts ein. Ich trocknete mir die Hände und ging in die Küche. Wir aßen schweigend. Onkel Morris ließ sich gar nicht blicken. Nach dem Essen half ich Essie beim Geschirrspülen. Dann gingen wir ins Zimmer und hörten noch eine Weile Radio. Um acht Uhr gingen die Kinder zu Bett, und gegen halb zehn suchte ich ebenfalls mein Zimmer auf. Ich hatte das Gefühl, daß meine Tante und mein Onkel etwas zu besprechen hatten und daß ich ihnen dabei im Weg war. Es war ein ruhiger, etwas trübsinniger Abend gewesen. Gewöhnlich lachte und scherzte Onkel Morris und spielte mit den Kindern. Aber heute abend war er sehr ruhig. Als die Kinder ihn küßten, ließ er sich einen Kuß auf die Wange geben und küßte sie selber nicht. Ich ging in mein Zimmer, schloß die Tür und begann mich auszuziehen. Durch die geschlosse Tür konnte ich hören, wie meine Tante und mein Onkel sich leise unterhielten. Hin und wieder drangen auch einige verständliche Worte an mein Ohr. Ich stieg ins Bett und streckte mich aus. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, blickte ich zum Fenster hinaus. Es war ein langer, anstrengender Tag für mich gewesen. Ich verfiel in einen leichten Schlummer, gequält von einer seltsamen Niedergeschlagenheit.
    Plötzlich war ich wieder hellwach. Ich hörte die Stimmen meiner Tante und meines Onkels draußen im Flur, unmittelbar vor meiner Tür. Ich sah auf die Uhr, die auf meiner Kommode stand, es war fast zwei. Ich lauschte mit angehaltenem Atem.
    Meine Tante schluchzte leise, und mein Onkel redete ihr gut zu. »Es ist kein Grund zur Besorgnis. Du hast ja gehört, was der Arzt gesagt hat. Ein paar Jahre in Arizona, und ich bin wieder in Ordnung. Ich habe Glück gehabt, daß man sie in einem so frühen Stadium entdeckt hat. Sie ist vollständig heilbar.«
    Meine Tante sagte etwas von den Kindern. Mein Name fiel auch, aber ich konnte nicht verstehen, worum es ging. Ich hörte nur eine Bemerkung, daß ich noch nicht sechzehn sei.
    »Auch darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen«, beruhigte sie mein Onkel. »Da draußen haben sie genauso gute Schulen wie hier. Und Frankie nehmen wir mit. Wir brauchen den Behörden nur die Sache auseinanderzusetzen, und ich bin überzeugt, daß sie darauf eingehen. Sie werden schon ein Auge zudrücken.«
    Meine Tante erwiderte etwas darauf, und dann hörte ich, wie sich die Tür ihres Schlafzimmers schloß. Ich fragte mich, weshalb wir wohl nach Arizona gingen und was mein Alter damit zu tun habe. Ich war schon fast wieder eingeschlafen, als mir ein Gedanke durchs Gehirn schoß. Mit einem Ruck fuhr ich in die Höhe. Arizona - Tb - das war's! Dadurch erklärte sich auch der Husten, den er den ganzen Winter gehabt hatte. Es war keine Erkältung, sondern Tb!
    Ich sprang aus dem Bett, zog

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