Die Moralisten
dem Gebäude kommen.
»Wir kommen jetzt raus!« schrie ich nach unten und trat ins Zimmer zurück. Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, daß sich ein paar aus der Menge zum Eingang drängten. Gerro stand immer noch am Fenster. Ich packte seine Hand und zerrte ihn mit mir. »Los, verdammt noch mal!«
Ich rannte zur Tür und schleifte Gerro mit. Als wir auf den Flur kamen, hörte ich unten auf der Treppe Schritte. Wir rasten die Treppe zum obersten Stockwerk hinauf. Von dort aus führte eine Leiter zum Dach. Ich sah, daß der schwere, viereckige Lukendeckel entfernt war, so daß ich die Sterne am Himmel sehen konnte. >Gut gemacht, Joey!< dachte ich.
Ich schob Gerro vor mir die Leiter hinauf und sah, wie er durch die Öffnung verschwand. Dann kletterte ich ebenfalls hinauf. Unter uns im Klubzimmer herrschte jetzt ein erheblicher Krach. Ich konnte hören, wie die Möbel zerschlagen wurden. Dann lärmte es auch auf der Treppe, die zu uns hinaufführte. Ich war fast an der Luke, als ich spürte, wie eine Hand meinen Fuß umklammerte. Ich blickte hinab. Der Mann, der nach mir gegriffen hatte, stand schon halb auf der Leiter. Ich trat heftig zu. Mein Fuß landete in seinem Gesicht. Er fiel von der Leiter auf den Fußboden, und ich stieg durch die Luke aufs Dach.
Ich sah mich um. Auf den Dächern lagen noch Schneereste. Der Lukendeckel lag in der Nähe der Öffnung und daneben eine moderne Matratze, die ein Mieter wahrscheinlich zurückgelassen hatte, nachdem er in einer heißen Sommernacht auf dem Dach geschlafen hatte. »Hilf mir!« fuhr ich Gerro an.
Sein Gesicht blutete immer noch, aber er bückte sich und half mir, den Deckel wieder über die Luke zu schieben. Dann warf ich die Matratze darüber in der Hoffnung, daß sie unsere Verfolger etwas länger aufhalten würde. Ich richtete mich auf und hielt Umschau. Einige der Dächer hatten regelrechte
Eingänge. Der erste war ungefähr zwei Häuser entfernt. Ich rannte hin und versuchte die Tür zu öffnen, aber sie war verschlossen.
Ich blickte zurück zu dem Gebäude, aus dem wir gekommen waren. Der Deckel lag zwar noch auf der Luke, aber ich merkte, daß man versuchte, ihn zu entfernen. Die Matratze bewegte sich auf und ab und rutschte ein wenig zur Seite. Wir rannten zum nächsten Gebäude.
Dort hatten wir mehr Glück: die Tür war offen. Wir traten ein, und ich verriegelte die Tür von innen. Wir liefen nach unten und traten auf die Straße. Wir kamen auf der 68. Straße heraus.
Ich blickte die Straße hinunter, aber es waren keine Verfolger zu sehen. Auf der Central Park West winkten wir ein leeres Taxi herbei und stiegen ein. »Fahren Sie nur los!« sagte ich zu dem Chauffeur. »Ich sage Ihnen gleich, wohin wir wollen.«
Gerro sank auf den Sitz und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Das Taschentuch war blutdurchtränkt. Ich zog ihm die Hände vom Gesicht und besah mir die Wunde.
»Das sieht ja böse aus«, sagte ich. »Wir bringen dich am besten zu einem Arzt.« Ich beugte mich vor und sagte dem Chauffeur, er möchte uns zum Roosevelt-Krankenhaus fahren.
Am Krankenhaus stiegen wir aus, und ich bezahlte den Fahrer. In der Unfallstation untersuchte einer der Ärzte die Wunde. Sie mußte genäht werden. Während der Arzt sich mit Gerro befaßte, beantwortete ich den Fragebogen, den die Schwester ausfüllen mußte. Als der Arzt die Wunde verbunden hatte, riet er Gerro, nach Hause zu gehen und sich hinzulegen. Er gab ihm ein paar Pillen, und wir verließen das Krankenhaus.
Inzwischen war es elf Uhr geworden. »Du solltest auf dem schnellsten Wege nach Hause gehen«, sagte ich zu Gerro. »Du scheinst mir ziemlich wackelig auf den Beinen zu sein.«
Er versuchte zu lächeln. »Ja, das ist wohl das beste. Ich glaube, ich schaffe es jetzt allein, vielen Dank für alles, Frank.
Du warst großartig.«
»Nichts zu danken«, sagte ich. »Glaubst du wirklich, daß du es allein schaffst?«
»Bestimmt. Ganz bestimmt.« Er schien ein wenig zu schwanken.
Ich streckte die Hand aus, um ihn zu stützen. »Ich glaube, es ist doch besser, wenn ich mitgehe.« Er protestierte nicht. »Wo wohnst du?« fragte ich.
Er schien nachzudenken. »Vielleicht sollte ich nicht nach Hause gehen. Meine Angehörigen regen sich zu sehr auf, wenn sie mich so sehen. Ich gehe lieber zu Freunden.«
»Wie du meinst. Aber dann los. Du brauchst Ruhe.«
Wir stiegen in ein Taxi, und er gab dem Fahrer eine Adresse in Greenwich Village. Eine Zeitlang fuhren wir schweigend dahin, während er aus
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