Die Moralisten
sich um.
Er sah sie an. »Ungefähr sechs Wochen, schätze ich.«
Sie nickte. »Das kann gut sein.«
Er setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch. »Es kostet hundert Dollar«, sagte er.
Wortlos ging sie zu ihrer Handtasche und nahm das Geld heraus. Sie zählte ihm die Scheine auf den Tisch.
»Wann wollen Sie es gemacht haben?« fragte er.
»Jetzt gleich.«
»Aber hier können Sie nicht bleiben«, sagte er. »Sind Sie in Begleitung?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin mit dem Auto gekommen.« Der Arzt betrachtete sie skeptisch. »Sie brauchen sich über mich keine Sorgen zu machen«, sagte sie. »Ich komme schon heil nach Hause.«
Er nahm die hundert Dollar und legte sie in die Schreibtischschublade. Dann holte er aus dem Sterilisator eine Spritze, zog sie auf und ging damit zu ihr.
»Was ist denn das?« fragte sie. Jetzt war sie doch ein wenig ängstlich.
»Penicillin.« Er lächelte. »Eine segensreiche Erfindung. Es tötet jeden Bazillus, den es gibt, nur nicht den einen, den Sie in sich haben.«
Er war geschickt, schnell und sachkundig. In zwanzig Minuten war alles vorbei. Er half ihr von dem Tisch und war ihr auch beim Anziehen behilflich. In einem kleinen Umschlag ohne Aufdruck gab er ihr ein paar Pillen mit.
»Die großen sind Penicillin«, sagte er. »Davon nehmen Sie in den nächsten zwei Tagen alle vier Stunden eine. Die kleinen sind Schmerztabletten. Davon nehmen Sie alle zwei Stunden eine, wenn Sie zu Hause sind und sich hingelegt haben. Gehen Sie sofort ins Bett und bleiben Sie mindestens zwei Tage liegen. Machen Sie sich keine Gedanken, wenn Sie starke Blutungen haben. Nur wenn Sie meinen, daß Sie am Ende des ersten Tages zu viel Blut verlieren, dann haben Sie keine Hemmungen und rufen Ihren Arzt. Wenn Ihre Mutter irgendwelche Fragen stellt, sagen Sie ihr, Sie hätten eine starke Menstruation. Haben Sie alles behalten?«
Sie nickte.
»Dann ist es gut«, sagte er freundlich. »Sie können nun gehen. Fahren Sie gleich nach Hause und legen Sie sich sofort ins Bett. In einer Stunde werden Sie solche Schmerzen haben, daß Sie sich wünschen, Sie wären nie auf die Welt gekommen.«
Er ging wieder hinter seinen Schreibtisch und setzte sich. An der Tür drehte sie sich noch einmal um und sagte: »Vielen Dank, Herr Doktor.«
Er sah ihr ins Gesicht. »Keine Ursache. Hoffentlich sind Sie in Zukunft klüger. Ich möchte Sie nicht noch einmal in diesem Zimmer sehen.«
Für die rund sechzig Kilometer bis zu ihrer Wohnung brauchte sie keine halbe Stunde. Als sie aus dem Auto stieg, hatte sie ein leeres Gefühl im Kopf und schwache Knie. Sie ging gleich in ihr Zimmer, zum Glück war sonst niemand im Haus. Sie schluckte je eine von den Tabletten und zog die Bettdecke über den Kopf. Im Unterleib hatte sie jetzt heftige Schmerzen, und sie fing am ganzen Körper an zu zittern.
Eine Woche später, als sie gerade auf dem Parkplatz hinter dem Supermarkt rangierte, lief Johnny ihr über den Weg.
»Ich hab nachgedacht und mir alles überlegt, Luke«, sagte er mit jener männlichen Bestimmtheit, die sie manchmal zur Raserei bringen konnte. »Wir werden heiraten.«
»Halt’s Maul, du Schleimscheißer«, sagte sie eiskalt und fuhr mit quietschenden Reifen los.
Von da an lebte sie nur noch für ihr Auto. Als sie aufs College kam, war sie schon eine lokale Berühmtheit geworden. Jede Woche nahm sie an den Rennen mit alten Serienwagen teil. Es dauerte nicht lange, und sie gewann diese Rennen mit einer Regelmäßigkeit, die sie zum Publikumsliebling machte. Die Leute sprachen voller Stolz von dem kleinen Mädchen, das sogar die professionellen Rennfahrer abhängte.
Einmal hatte sie geheiratet. Der Mann war Rennfahrer gewesen, ein großer junger Mann mit welligem, schwarzem Haar und lachenden braunen Augen. Er stammte aus dem westlichen Texas.
Ihre Eltern waren gegen diese Heirat gewesen, sie wollten, daß sie Lehrerin wurde. Zum Heiraten sei immer noch reichlich Zeit. Und was für ein Leben müßte sie führen mit so einem Mann? Immerfort zwischen den kleinen Provinzrennbahnen hin und her, wie die Zigeuner!
Aber gerade das war das Leben, das sie sich immer gewünscht hatte. Nur hinter dem Lenkrad eines Autos war sie glücklich. Und das erstaunliche war, daß sie und ihr Mann dabei finanziell sehr gut abschnitten. Innerhalb eines Jahres konnte sie fünfzehntausend Dollar auf ein Bankkonto einzahlen.
Dann erschien die Polizei und verhaftete ihren Mann wegen Bigamie. Offenbar hatte er vor der Ehe mit
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