Die Mordaugen von Brüssel
wird.«
Reuven senkte den Kopf. »Wenn Sie Ihrer Sache so sicher sind, Sinclair, können Sie auch etwas dagegen unternehmen?«
»Das hoffe ich.«
»Wir werden hinfahren«, erklärte Bill. »Und ich glaube, daß wir nicht nur Ihre Tochter dort finden werden. Wenn ich den Unbekannten richtig einschätze, hat er es auch verstanden, andere Menschen in seinen teuflischen Bann zu ziehen.«
Maurice Reuven nickte nur. Dann sagte er: »Das ist meine Schuld, es ist alles nur meine Schuld…«
***
Das Atomium!
Imposant, gewaltig, wenn man unmittelbar davorstellt, und auch alles beherrschend. Man kann es von jedem Kirchturm in Brüssel sehen, von jedem hohen Hausdach. Wie ein gewaltiger Koloß stand es nahe des Heysel-Stadions und war auch fast 30 Jahre nach seiner Fertigstellung noch immer ein Anziehungspunkt für Touristen.
Das alles war Ruth Reuven und Adrienne Braun bekannt, doch sie hatten keinen Blick fürdas imposante Bauwerk und machten sich auch keine Gedanken um dessen Vergangenheit.
Sie rollten auf dem Boulevard du Centenaires auf das Gebilde zu und damit auch den großen Parkplätzen entgegen, die man angelegt hatte. Bei normalem Wetter wären sie um diese Zeit überfüllt gewesen. Doch dieser Juni hatte einfach zuviel Regen gebracht und auch Kühle. Deshalb fanden sie noch genügend freie Flächen und auch in der Nähe des Ziels, wo sie ihren Wagen abstellen konnten. Adrienne lenkte das Auto in eine Parklücke. Sie liebte ihren schwarzen R 5. Er besaß mehr PS als das übliche Modell und gehörte damit zu den schnellen Flitzern.
»Aussteigen, meine Liebe!« sagte sie.
Ruth schreckte aus den Gedanken hoch. »Entschuldige, aber ich habe an etwas anderes gedacht.«
»Woran?«
»An ihn!«
Adrienne lachte. »Du hast ihn noch nie gesehen, wie?«
»Nein, nur das Auge. Du etwa?«
»Ich auch nicht, Ruth. Ich bin gespannt auf ihn. Er muß etwas Besonderes sein.«
»Das glaube ich auch. Ob er der Teufel ist?«
»Kann sein. Schließlich hat er sich vorgenommen, das letzte Siegel zu brechen. So etwas schafft nur ein ganz Mächtiger, ein hoher Dämon. Vielleicht der Teufel. Außerdem wissen wir beide, daß er sich in verschiedenen Gestalten zeigt.«
»Wieso hat er gerade uns ausgesucht?«
»Bei dir ist das klar, Ruth. Dein Vater hat dir von den Augen berichtet, oder nicht?«
»Ja, schon.«
»Und ich hörte seinen Ruf. Aber nicht ich allein. Schau dich um, da siehst du sie, da kannst du es spüren. Die Männer und Frauen in der Nähe gehören alle zu uns oder zu ihm. Davon bin ich einfach überzeugt.« Sie öffnete die Tür. »Steig aus, sonst kommen wir noch zu spät.«
Auch Ruth verließ den Wagen. Es war mittlerweile dunkler geworden. Der Himmel zeigte sich wolkenverhangen, er sah traurig aus, als wollte er sich der Lage anpassen und dokumentieren, daß die Hölle bald einen Sieg erringen würde.
Es roch nach Regen. Von den Wiesen stiegen Nebelschleier in die Höhe. Dünne Decken aus Dunst, die wie fein gesponnene Leichentuch wirkten und einfach zu der gesamten Lage paßten. Neben ihnen stoppte ein Kleinbus, aus dem sechs Personen stiegen. Männer und Frauen. Sie schauten Ruth und Adrienne an, lächelten knapp, man nickte sich zu, wußte Bescheid.
»Auch sie gehören zu uns!« flüsterte Adrienne. »Hast du das gesehen? Die Blicke, das Einverständnis…«
»Ja.«
»Wir sind nicht allein, wir sind stark, wir sind eine Macht. Daran solltest du denken.«
»Und wo willst du hin?«
»Zum Atomium.«
»Direkt hinein?«
»Sicher.«
»Woher weißt du, daß…?«
»Aber Ruth, ich bitte dich. Hast du den Ruf nicht empfangen? Hörst du nicht auf deine innere Stimme? Das ist er, sage ich dir. Das ist unser neuer Meister.«
Ruth hob die Schultern und lächelte dabei. »Ich bewundere deine Sicherheit, aber ich freue mich auch, daß wir gemeinsam hergefahren sind. Es macht mir vieles leichter.«
Adrienne schüttelte den Kopf. Das schwarze Haar wurde vom Wind bewegt. »Ich verstehe dich nicht, Ruth. Hast du von deinem ersten Leben noch keinen rechten Abschied genommen?«
»Es fällt mir schwer.«
»Du mußt die Erinnerung einfach löschen, Ruth. Was gewesen ist, das ist auch vergangen. Schau zu den anderen.« Sie meinte die Gruppe aus dem Bus. Nebeneinander gingen sie her und bewegten sich auf das mächtige Atomium zu. »Auch sie halten zusammen. Sie wissen genau, was auf sie zukommt. Man läßt uns nicht im Stich. Die andere Kraft ist einfach mächtiger und stärker.«
»Das hoffe ich ja.«
»Und denk
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