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Die Mütter-Mafia

Titel: Die Mütter-Mafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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viel Demut gegenüberstehen müsse. Kinder seien Geschenke. Aber glaub mir, keiner ist so demütig wie ich. Ich weiß, dass ich das nicht beeinflussen kann und dass es lächerlich ist, sich ungerecht behandelt zu fühlen, aber ich finde es nun mal ungerecht, dass andere mit Geschenken überschüttet werden und ich leer ausgehe.«
    »Ja, das finde ich auch ungerecht«, sagte ich. Es gab bestimmt eine Menge Kinder, die ihre eigene Mutter liebend gern gegen Mimi eingetauscht hätten. Nelly zum Beispiel.
    »Ich weiß, dass ich allen Grund habe, dankbar zu sein, ich habe so vieles, was andere nicht haben«, fuhr Mimi fort. »Ich meine, ich bin gesund und habe einen wunderbaren Mann und allen Komfort, den man sich wünschen kann, meine Eltern und meine Geschwister erfreuen sich bester Gesundheit, niemand ist bei uns verschollen oder so. Aber das, was ich mir am meisten auf der Welt wünsche, das bekommen nur die anderen.«
    Ja, das war wirklich ungerecht.
    »Jetzt weißt du also, warum ich Psychopathin mit meinem Anstreicheroverall bei dir auftauche, obwohl wir uns kaum kennen«, sagte Mimi abschließend. »Ich habe einfach eine neue Aufgabegewittert. Ich bin es nicht gewohnt, zu Hause herumzusitzen und nichts zu tun. Ich habe unseren Keller entrümpelt, die Küche gestrichen, das zukünftige Kinderzimmer eingerichtet, ich habe die Konserven alphabetisch sortiert, ich habe begonnen, ein Drehbuch zu schreiben, bin >Ebay<-Expertin geworden und habe einen Thailändisch-Sprachkurs an der Volkshochschule angefangen. Vor drei Tagen bin ich dann an meinem absoluten Tiefpunkt angekommen: Ich habe meine Zeit damit totgeschlagen, beim Tele-Shopping-Kanal einen unsichtbaren BH zu bestellen.«
    Ich konnte nicht anders, ich musste einfach auf ihren Busen gucken. Wirklich, nichts zu sehen!
    »Ich würde dir so gerne helfen, dieses Haus herzurichten!«, sagte Mimi. »Bevor ich anfange, auch noch Uschi-Glas-Kosmetik zu ordern. Das hier würde mir auch sehr viel mehr Spaß machen als Golf zu spielen.«
    »Na ja, und ich hätte auch mehr davon«, sagte ich. »Tut mir Leid, wenn ich dich gekränkt habe. Dass es jemanden wie dich gibt, kam mir nur einfach vor wie aus einem Märchen. Da kam die gute Fee herein, Fee herein, Fee herein ...«
    »Danke«, sagte Mimi und lächelte mich an. »Können wir dann jetzt loslegen? Als Erstes brauchst du anständige Arbeitskleidung. In diesem Kaschmirpullover lässt es sich schlecht renovieren. Und während wir Kisten packen, kannst du mir von deiner verschollenen Halbschwester erzählen. Möchtest du vielleicht ein Kätzchen haben, wenn sie da sind?«
     
    *
     
    Die Zeit vergeht unglaublich schnell, wenn man Schränke leer räumt, Möbel rückt, Kartons packt und sich dabei Episoden aus seinem Leben erzählt. Mimi fragte mich nach meinem Beruf und als sie hörte, dass ich keinen hatte, wickelte sie eine ganze Weile lang schweigend Omi Wilmas gläsernen Nippes in Zeitungspapier.
    Schließlich fragte sie: »Und was willst du machen, wenn deine Kinder groß sind?«
    »Dann setze ich mich aufs Sofa und bestelle unsichtbare Büstenhalter beim Teleshopping«, sagte ich.
    Mimi runzelte die Stirn. Sie fand sicher, dass jemand ohne Beruf keine wirkliche Daseinsberechtigung hatte.
    »Was ist denn das?«, fragte ich, um sie vom Thema abzubringen. Hinter den Türen der Schrankwand hatte Omi Wilma alle Ausgaben der »Hörzu« gelagert, seit 1978. Mimi war sofort abgelenkt. Sie witterte ein enormes Interesse für »Hörzu« bei »Ebay«. Ich fragte mich allmählich, was das für Irre waren, die dort mitsteigerten.
    Mimi war so mit dem Fernsehprogramm von Mai 1979 beschäftigt, dass sie vergaß, worüber wir gesprochen hatten. Ich wusste, dass ich gar nicht erst versuchen musste, ihr zu erklären, dass es keinen Job gab, für den ich mich geeignet fand. Es gab nämlich nichts, was ich wirklich konnte. Ich hatte meinen Job als repräsentative Hausfrau und Mutter nur mit Hilfe einer Putzfrau bewältigt, und das offenbar auch noch schlecht, denn mein Ehemann hatte mir gekündigt.
    Aber wir konnten ja nicht alle so patent sein wie Mimi. Sonst wäre sie schließlich nichts Besonderes mehr gewesen.
    Wir fanden vier Flaschen Himbeergeist hinter einem Satz Aktenordnern, und weil sie noch versiegelt waren, schlug Mimi vor, sie auch bei »Ebay« zu versteigern. Das war eine gute Idee, denn zu diesem Zeitpunkt war ich noch fest davon überzeugt, niemals auch nur einen Tropfen von dem Zeug herunterschlucken zu können - ein

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