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Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Das hast du mir doch gesagt?«
    »Bei allen guten Geistern, man sollte meinen, daß Sie schon einmal dort gewesen sind«, sagte Alex. »Sie sind so ein Rätsel, guter Mann…«
    »Geben Sie es auf«, flüsterte Ramses.

    Aber Alex hörte ihn kaum. Er bat Julie flüsternd, ihm ihre ehrliche Meinung über Miss Barrington zu sagen. Und Miss Barrington war die blonde Frau mit den rosigen Wangen, die bei Elliott und Samir in der Halle stand. Offensichtlich ein hübsches Ding.
    »Wie kommt das«, flüsterte Julie, »daß du meine Zustimmung brauchst?«
    »Pssst, da ist sie. Bei Vater. Sie kommen prima miteinander aus.«
    »Alex, sie ist wirklich bezaubernd.«

    Sie schlenderten durch die weiten, staubigen Säle im ersten Stock des Museums und lauschten dem Führer, der trotz seines starken ägyptischen Akzents ziemlich schnell sprach.
    Wertvolle Schätze im Überfluß, daran bestand kein Zweifel.
    Alles Beutestücke aus den Gräbern, Gegenstände, von denen er zu seiner Zeit nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Und hier konnte alle Welt sie sehen, zwar unter staubigem Glas und in trübem Licht, aber dennoch vor der Zeit und dem Verfall geschützt.
    Er betrachtete die Statue des glücklichen Schreibers – eine kleine Gestalt im Schneidersitz, mit einem Papyrus auf dem Schoß, deren Augen erwartungsvoll nach oben gerichtet waren. Sie hätte ihn zu Tränen rühren müssen, aber er verspürte lediglich eine unbestimmte Freude darüber, daß er gekommen war und bald wieder gehen konnte.
    Schließlich gingen sie die breite Treppe hinauf. Der Saal der Könige, die Prüfung, vor der ihm graute. Er spürte Samir an seiner Seite.
    »Weshalb ersparen Sie sich dies grausige Vergnügen nicht, Sire? Denn sie sind alle gräßlich anzusehen.«
    »Nein, Samir, laß mich alles bis zum Ende sehen.«
    Er lachte fast, als ihm klar wurde, worum es sich handelte –
    eine große Kammer mit Glaskästen wie die Schaukästen in den Warenhäusern, wo Waren vor tastenden Fingern geschützt wurden.
    Dennoch versetzten ihm die schwarzen, grinsenden Leichen einen dumpfen Schock. Ihm schien, als wäre der Führer weit weg, und doch waren die Worte deutlich:
    »Die Mumie von Ramses dem Verdammten, die sich jetzt in England befindet, ist immer noch ein umstrittener Fund. Sehr umstritten. Dies hier ist der wahre Ramses der Zweite, unmittelbar vor Ihnen, auch als Ramses der Große bekannt.«
    Er ging näher hin und betrachtete das hagere, gräßliche Ding, das seinen Namen trug.
    »…Ramses der Zweite, größter aller ägyptischen Pharaos.«
    Er lächelte fast, während er die ausgetrockneten Gliedmaßen betrachtete, doch dann fiel ihm die Wahrheit ein, die sich wie ein körperlicher Druck auf seine Brust legte: Wäre er nicht mit der bösen alten Priesterin in die Höhle gegangen, läge er jetzt wahrhaftig in diesem Kasten. Oder das, was von ihm übrig wäre. Und der Gedanke, daß er gestorben wäre, ohne soviel zu wissen, ohne sich je darüber klar geworden zu sein…
    Lärm. Julie hatte etwas gesagt, aber er hatte es nicht gehört.
    Ein dumpfes Dröhnen war in seinem Kopf. Plötzlich sah er sie alle, diese gräßlichen Leichen gleich verbrannten Dingen aus einem Ofen. Er sah das schmutzige Glas, sah die Touristen, die hierher und dorthin drängten.
    Er hörte Kleopatras Stimme. Als du ihn sterben ließest, ließest du mich sterben! Ich will bei ihm sein. Nimm es weg, ich werde es nicht trinken.
    Setzten sie sich wieder in Bewegung? Hatte Samir gesagt, es wäre Zeit zu gehen? Er wandte den Blick langsam von dem furchtbaren, eingefallenen Gesicht ab und bemerkte Elliott, der ihn mit einem seltsamen Gesichtsausdruck musterte. Was war es? Verstehen.
    Aber wie kannst du verstehen? Ich verstehe es selbst kaum.
    »Gehen wir, Sire.«
    Er ließ zu, daß Samir seine Hand ergriff und ihn in Richtung Tür führte. Ihm schien, als hätte Miss Barrington über etwas gelacht, das Alex ihr ins Ohr geflüstert hatte. Und das Geplap-per der französischen Touristen in der Nähe war fürchterlich.
    Was für eine häßliche Sprache.
    Er drehte sich um und betrachtete nochmals die Glaskästen.
    Ja, geh fort von hier. Warum nehmen wir diesen Korridor zum hinteren Teil des Gebäudes? Wir haben doch sicher schon alles gesehen. Die Träume und die Leidenschaft eines Volkes, begraben in einem großen und staubigen Mausoleum, wo junge Mädchen lachen, und das zurecht.
    Der Führer war am Ende des Saals stehengeblieben. Was jetzt? Noch ein Leichnam unter Glas, aber wie sollte

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