Die Mumie
zurück und war erleichtert, daß er die unerträglichen Schmerzen noch eine Zeitlang hinausschieben konnte. Dann sah er auf und blickte sie an.
Er hatte seine Frau immer gern gehabt, aber erst jetzt, in der Mitte des Lebens, hatte er festgestellt, daß er sie liebte. Eine gepflegte und charmante Frau, seine Frau, die in seinen Augen nie gealtert war – vielleicht weil er sich körperlich nicht zu ihr hingezogen fühlte. Aber er wußte, sie war zwölf Jahre älter als er, und damit alt. Das bekümmerte ihn, weil er selbst das Alter fürchtete und außerdem Angst davor hatte, sie zu verlieren.
Er hatte sie stets bewundert und ihre Gesellschaft geschätzt.
Und er war auf ihr Geld angewiesen. Das hatte sie nie gestört.
Sie schätzte seinen Charme, seine gesellschaftlichen Verbin-dungen, und sie verzieh ihm seine heimlichen Eskapaden.
Sie hatte immer gewußt, daß etwas mit ihm nicht stimmte, daß er »das schwarze Schaf in der Herde« war, der keine Sympa-thie für seine Kollegen und Freunde und Feinde gleicherma-
ßen hatte. Aber sie hatte nie viel Aufhebens davon gemacht.
Es schien, als hinge ihr Glück nicht von seinem Glück ab. Sie war ihm außerdem ewig dankbar, daß er sich an das gesellschaftliche Leben angepaßt und sich nicht wie Lawrence Stratford nach Ägypten zurückgezogen hatte.
Die Arthritis hatte ihn inzwischen zum Krüppel gemacht, so daß er ihr nicht mehr untreu sein konnte. Er fragte sich manchmal, ob das eine Erleichterung für sie war oder ob es sie traurig stimmte. Er konnte sich nicht entscheiden. Sie teilten immer noch das Ehebett, und das würde sich wahrscheinlich auch nie ändern, obwohl es niemals ein Drängen oder ein aufrichtiges Bedürfnis gegeben hatte, sah man davon ab, daß er in letzter Zeit eingesehen hatte, wie sehr er sie brauchte und wirklich liebte.
Er war froh, daß sie zu Hause war. Es linderte den Schmerz um Lawrences Tod. Aber natürlich würde er ihr Diamantkollier sehr bald wiederbringen müssen, und daß Randolph ihm versprochen hatte, das Geld morgen zurückzuzahlen, für das er das Ding verpfändet hatte, war eine große Erleichterung für ihn.
In ihrem neuen Pariser Hosenanzug aus grüner Wolle sah Edith besonders hübsch aus. Sie legte Wert auf ein gepflegtes Äußeres, abgesehen von ihrem silbernen Haarschopf, der mit der schlichten Kleidung und ohne Schmuck um so lieblicher aussah. Die Diamanten, die er beliehen hatte, trug sie nur zu Bällen. Er war stolz darauf, daß sie auch im Alter eine hübsche Frau war, und so beeindruckend wie ehedem. Die Leute mochten sie mehr als ihn, und so sollte es auch sein.
»Ich gehe eine Weile aus«, sagte er zu ihr. »Kleiner Spaziergang. Du wirst mich nicht vermissen. Ich bin rechtzeitig zum Essen wieder da.«
Sie antwortete nicht. Sie setzte sich neben ihn auf die Ottomane und legte die Hand auf seine. Wie leicht sie war. Ihre Hände waren das einzige an ihr, das ihr Alter ohne Zweifel verriet.
»Elliott, du hast wieder mein Kollier verpfändet«, sagte sie.
Er schämte sich. Er sagte nichts.
»Ich weiß, du hast es für Randolph getan. Wieder Henrys Schulden. Immer dasselbe.«
Er sah in die Kohlen vor sich. Er antwortete nicht. Was konnte er schon sagen? Sie wußte, es befand sich wohlbehalten in den Händen eines Juweliers, dem sie beide vertrauten, und daß die Geldsumme vergleichsweise bescheiden war – sie konnte sie problemlos auslösen, auch wenn Randolph das Geld nicht rechtzeitig brachte.
»Warum bist du nicht zu mir gekommen und hast gesagt, daß du Geld brauchst?« fragte sie ihn.
»Es war nie leicht, dich um Geld zu bitten, meine Liebe. Au-
ßerdem hat Henry Randolph in eine schwierige Lage gebracht.«
»Ich weiß. Und ich weiß, daß du es gut gemeint hast, wie immer.«
»So gemein es sich auch anhören mag, ein Diamantkollier ist ein kleiner Preis für die Millionen der Stratfords. Und genau das haben wir vor, meine Liebe, wir versuchen, für unseren Sohn eine gute Partie zu bekommen, wie man so sagt.«
»Randolph kann seine Nichte nicht überzeugen, Alex zu heiraten. Er hat überhaupt keinen Einfluß auf sie. Du hast ihm das Geld geliehen, weil Randolph dir leid getan hat. Weil er ein alter Freund ist.«
»Vielleicht stimmt das.«
Er seufzte. Er konnte ihr nicht in die Augen sehen. »Vielleicht fühle ich mich in gewisser Weise verantwortlich«, sagte er.
»Wie könntest du verantwortlich sein? Was hast du mit Henry und mit dem, was aus ihm geworden ist, zu tun?« fragte sie.
Er
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