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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Sessel und zog ihn an, ohne sich um Jürgen oder mich zu kümmern. Sie griff nach der Hose und stieg hinein, stopfte das Hemd in den Hosenbund und verlangte unwillig: «Nun red schon. Ist irgendwas gewesen? Hat’s Stunk gegeben? Habt ihr dem Kind was getan?»
    Jürgen wurde heftig. «Natürlich nicht! Was sollen wir ihr denn getan haben?»
    «Was weiß ich.» Sie zuckte mit den Schultern. «Eins hinter die Löffel. Soll schon mal vorkommen, dass einem die Hand ausrutscht, auch wenn man meint, man sei zu fein dafür.»
    «Unsere Kinder hätten den ersten Schlag noch zu bekommen», sagte Jürgen.
    Sie grinste abfällig. «Manchmal tut die Hand nicht so weh wie die Zunge.»
    «Was heißt das?», fauchte Jürgen. «Bei uns gab es auch keine verbalen Züchtigungen.»
    Ihr Grinsen wurde noch breiter. «Das haste aber fein gesagt. Bild dir bloß nicht ein, ich frag dich, was es heißt.»
    Otto kam mit zwei Suppentassen herein und beendete das Wortgefecht. Die Decke hatte er gegen Hemd und Hose vertauscht. Nur Socken trug er noch nicht. Die hob er vom Boden auf, setzte sich auf die Couch und streifte sie über, nachdem er Jürgen und mir die Tassen in die Hände gedrückt hatte. Es war klare Fleischbrühe mit Klößchen. Die Tasse war heiß, die Brühe dampfte, ich hatte plötzlich ein Loch im Magen und trank einen Schluck.
    «Hol mal zwei Löffel», kommandierte Gretchen, «und bring das Maggi mit.» Während Otto sich widerspruchslos erhob und zum zweiten Mal hinausging, wollte sie von Jürgen wissen: «Hast du die Grünen schon angerufen?»
    «Nein.»
    «Warum nicht?»
    «Weil ich noch nicht die Zeit dazu hatte!», schrie Jürgen. «Herrgott! Wir waren unterwegs, wir haben sie gesucht.»
    «Brauchst nicht brüllen, ich bin nicht taub.»
    Otto kam mit zwei Löffeln und einer Flasche Suppenwürze zurück. Gretchen schaute ihn zweifelnd an, ehe sie erklärte: «Stell dir vor, Otto, die kleine Wildwest ist nicht nach Hause gekommen.»
    Ottos rundliches Gesicht zog sich vor Erstaunen in die Länge. Er murmelte: «Was du nicht sagst.»
    Ich fühlte mich, als würde ich jeden Augenblick den Verstand verlieren. Zeitlupe, alles so lang und breit und behäbig. Eine alte Frau und ein alter Mann. Und wir hatten sie so offensichtlich bei der Liebe gestört, dass ich dachte, ich wäre daran erstickt. Liebe! Welke, faltige Haut und ein Pornostreifen aus dem Fernseher. Ichempfand es als ekelhaft und widerlich. Und Rena war irgendwo da draußen. «Kleine Wildwest» hatte sie gesagt.
    «Ich will hier raus! Ich will sofort hier raus!» Dass ich es tatsächlich schrie, wurde mir erst bewusst, als Jürgen mich anbrüllte: «Reiß dich gefälligst zusammen, Vera.»
    Gretchen hatte ihm gerade irgendetwas erklärt und war durch mich unterbrochen worden. «Schrei sie nicht an», sagte sie zu Jürgen, verlangte von Otto: «Hol mal deine Kreislauftropfen. Die macht uns schlapp.»
    Dann sprach sie dort weiter, wo ich ihr das Wort abgeschnitten hatte. «Hin und wieder mal, nicht regelmäßig, also mach dir nicht ins Hemd. Und mach bloß dem Kind keinen Ärger deswegen. Hat keiner was davon mitgekriegt, außer Hennes, der weiß es natürlich. Sie kam immer hintenrum durch den Garten. Montag war sie kurz hier, gestern auch. Da hab ich’s ihr in die Finger gedrückt. Heut hab ich nicht mit ihr gerechnet, weil sie gestern sagte, dass heute der Hengst abgeholt wird.»
    Der Hengst abgeholt! Das hörte und verstand ich. Jürgen sagte noch etwas von:   … besser deine Telefonrechnung damit bezahlt. Gretchen lachte, ihre Antwort drang nur bruchstückhaft in mein Bewusstsein. «…   soll Otto übernehmen. Er hat die Häschen angerufen, ich nicht.»
    Es interessierte mich nicht, was sie sagte. Ich dachte nur: Der Hengst! Mattho ist weg! Arme Rena! Warum hat sie mir nichts davon gesagt? Im Geist sah ich sie einem Pferdetransporter hinterherradeln. An dem Bild blieb ich kleben, daneben verschwamm alles andere.

3.   Kapitel
    Ich weiß nicht, wie lange wir bei Gretchen saßen. Ich weiß auch nicht, worüber sie und Jürgen noch sprachen. Ich sah die Klößchen in der Brühe, die Bierflaschen auf dem Tisch, Ottos verlegen dümmliches Lächeln, als er aus einem Fläschchen etwas auf einen Löffel voll Zucker träufelte und mir den Löffel an den Mund hielt. Ich schmeckte süß und bitter auf der Zunge und fühlte ein Rauschen im Kopf, als hätte ich mir den Wind eingefangen.
    Dann war plötzlich das kleine Zimmer voller Menschen. Männer und Frauen. So viele,

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