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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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band, wenn sie in der Küche arbeitete, war für Rena reine Gehässigkeit, ebenso Mutters sorgfältige Art, den Tisch zu decken.
    «Da komm ich mir vor wie Lumpi, der nur unterm Tisch sitzen darf. Muss sie uns eigentlich immer zeigen, dass sie was Besseres ist? Eines Tages komme ich nach Hause und sie hat sich ein Schild um die Brust gehängt: Helene Merten, geborene von Alsberg, und das ‹von› ist mit dickem Garn gestickt. Dann darf ich bestimmt nur noch gnädige Frau zu ihr sagen und muss in der Scheune schlafen.»
    So weit her war es nicht mit Mutters vornehmer Herkunft. Schon meinen Großeltern war vom alten Glanz nur das kleine Beiwort geblieben. Rena wusste das genau, aber es war doch etwas, worauf sie herumhacken und sich für Mutters Kritik revanchieren konnte. In den ersten Wochen!
    Als Rena das Hengstfohlen auf der Koppel entdeckte, wurden nicht nur die Freunde in der Stadt unwichtig. Auch Mutters Pochen auf Stil und gute Sitten wurde zur Nebensache.
    Nach dem zehnten oder zwölften Nein von Jürgen ließ Klinkhammer sich von Anne den Donnerstag schildern. Anne hatte mehr Zeit mit Rena verbracht als sonst einer von uns. Sie hielt sich an die Wahrheit, verschwieg auch nicht, dass Rena die Mathematikarbeit hatte versäumen wollen, dass sie sich kaum Zeit zum Essen genommen, dass ich gebeten hatte, Vater möge sie um fünf abholen. Klinkhammer wandte sich Vater zu.
    Mir hatte Vater die Antwort mit einem Blick zum Fenster verweigert. Er kam auch nicht dazu, Klinkhammer zu antworten. Bevor er den Mund öffnen konnte, sagte Mutter: «Er wollte sie abholen. Nicht um fünf. Aber um halb sechs sagte er, ich mache mich am besten auf den Weg. Es sieht nicht so aus, als würde der Sturm heute noch nachlassen. Ich wollte nicht, dass er fährt, bei dem Wetter. Er ist fünfundsiebzig. Es hatte doch schon Tote gegeben.» Mutter begann zu weinen, zerrte ein Taschentuch aus ihrer Schürze, schnäuzte sich. Die Augen auf mich gerichtet, sprach sie weiter. «Wenn ich geahnt hätte, warum sie unbedingt zum Stall wollte, hätte ich ihr ein Taxi gerufen und auch dafür gesorgt, dass sie mit einem Taxi zurückkommt. Aber sie hat uns kein Wort davon gesagt, dass dieses Tier abgeholt wird.»
    Ihr nächster Satz galt mir: «Warum hast du es mir nicht gesagt? Mit dir hat sie auch nicht darüber gesprochen. Du wusstest es nicht, habe ich Recht?»
    Dann glitt ihr Blick zu Jürgen. «Ich habe es erst in der Nacht von meinem Schwiegersohn erfahren. Nicht wahr, Jürgen? Deiner Mutter hat sie es erzählt. Warum deiner Mutter und nicht uns? Was hat sie sich dabei gedacht?» Mutter schluchzte, schüttelte den Kopf. «War das der Dank für alles, dass sie zu dieser Person rennt und sich ihr anvertraut statt uns? Wir wussten es nicht. Wir wussten es wirklich nicht.»
    Klinkhammer nickte versonnen. Für ihn war es der entscheidende Hinweis. Zusammen mit dem, was Anne erzählt hatte, ergaben Mutters Worte für ihn ein klares Bild. Dass Rena sich etwaszum Umziehen mitgenommen hatte, stützte seinen Verdacht. Weder Anne noch Mutter hatten darauf geachtet, was in der Tüte steckte, die Rena aus dem Haus trug. Es sei eine große Tüte gewesen, sagte Anne. Eine von denen, die man im Supermarkt bekommt.
    Dann war ich an der Reihe. Dass Mutter mich nicht sofort beim Heimkommen informiert hatte, stand nicht zur Debatte. Es war niemandem geholfen mit Wenn und Aber. Hennessens Auskünfte interessierten und dass er Matthos Abtransport mit keinem Wort erwähnt hatte. Warum ich, als ich den Reitstall verließ, nicht sofort bei den von Wirths nachgefragt hätte?
    Jürgen verschweißte mir mit einem Blick die Lippen. «Meine Frau hat es versucht, aber sie stand vor einem verschlossenen Tor. Die Familie von Wirth wollte nicht mit Beileidsbekundungen überhäuft werden, das ist verständlich. Ich habe allerdings, als meine Frau zurückkam, bei den von Wirths angerufen. Danach sind wir sofort aufgebrochen.»
    Anne senkte verlegen den Blick. Mutter weinte ins Taschentuch, rieb sich die Augen und schüttelte den Kopf. Ich hatte das Bedürfnis, mit beiden Fäusten auf den Tisch zu trommeln und zu schreien: «Tut etwas! Tut endlich etwas!»
    Der Einzige, der etwas tat, war Scherer. Er drehte einen grünen Filzhut in den Händen. Klinkhammer erkundigte sich bei ihm, wie es denn aussähe mit Männern und Traktoren. Scherer schaute Jürgen an. «Wenn ich mal telefonieren könnte, ich krieg bestimmt ein paar her. Kann doch heute keiner was tun draußen.» Jürgen ging

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