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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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in der Praxis an und lassen sich einen Termin geben? Oder nein, wir machen es anders. Acht Uhr dreißig, seien Sie pünktlich. Also dann bis Montag.»
    Montag! Drei Tage bis dahin. Noch war nicht einmal der erste zu Ende. Und ich dachte, dass ich nicht zwei solcher Tage hintereinander verkraften könnte.
    Jürgen legte auf, kam zurück und sagte: «Wie ich mir gedacht habe. Machen Sie einen Haken hinter die Anrufe und betrachten Sie diesen Aspekt als erledigt.» Dann wollte er wissen: «Wie lange kann es dauern, bis wir Bescheid aus Hamburg erhalten?»
    Klinkhammer hob die Schultern, schob sich den Rest vom Brot in den Mund, kaute, schluckte und erklärte anschließend: «Schwer zu sagen. Ein paar Tage, auch Wochen. Ich will Ihnen da keine großen Hoffnungen machen. Richten Sie sich lieber auf eine längere Frist ein.»
    Kurz vor vier brach Klinkhammer, gestärkt mit vier oder fünf Broten – ich hatte nicht mitgezählt   –, erneut auf, um mit Horst, Katrin und Tanja zu sprechen und sich von ihnen eine Bestätigung zu holen. Von Armin und Ilona hatte er gehört, dass Rena bei ihrer Party am Samstagabend gesagt hatte: «Morgen bin ich der glücklichste Mensch.» Wir hatten ihr Glück mit dem falschen Geschenk zunichte gemacht.
    «Und was ist mit Hennessen?»
    «Nichts, Frau Zardiss», sagte Klinkhammer und wollte wissen, ob einer von Renas Freunden einen grauen Kleinbus fuhr. Ich hatte das Gefühl, vor einer Wand zu stehen.
    Jürgen sagte: «Nimm noch eine Pille, Vera, und ruh dich ein bisschen aus.»
    Sie behandelten mich wie ein unmündiges Kind. Wahrscheinlich erzählte Klinkhammer am Abend seiner Frau: «Die übliche Geschichte, das Mädchen ist abgehauen. Nur die Mutter will es nicht einsehen. Die Frau hat keine Nerven.»
    Olgert blieb im Haus. Jürgen ging wieder nach draußen. Annehatte sich in ihrem Zimmer verkrochen. Ich saß allein mit Olgert im Wohnzimmer. Er las in Renas Tagebüchern. Willkürlich, ohne System, hier ein Stück und da eins. Ich hielt es nicht aus, sein Mienenspiel zu beobachten. Wie er bei einem Absatz die Stirn runzelte, bei einem anderen die Mundwinkel verzog, als wolle er lächeln. Wie er ab und zu den Blick hob, mich betrachtete.
    Ich fühlte Hennessens Hand immer noch an meinem Arm. Ich fühlte sie auch an meiner Kehle. Von draußen drang ein Motorgeräusch herein. Ich dachte, Klinkhammer käme zurück, um noch einmal in Ruhe und ohne Jürgens Einmischung mit mir zu reden. Aber es waren meine Eltern, die ich in ihrem Schlafzimmer glaubte, schlafend vor Erschöpfung und erschöpft von Sorgen und Vorwürfen.
    Mutter kam bepackt mit zwei Taschen ins Haus und forderte mich auf, beim Ausladen des Wagens zu helfen. Freitag! Großeinkauf fürs Wochenende. In meinem Hirn drehte sich roter Nebel. Mutters Gedanken kreisten um Wurstaufschnitt und frisches Brot. Sie lächelte mich an. «Diese Polizisten haben einen gesegneten Appetit. Der junge Mann hat heute Mittag die halbe Platte alleine verdrückt. Bleiben sie zum Abendbrot, Vera?»
    Was geht vor in so einem Kopf? Was ist das, Verdrängung? Bring meine Ordnung nicht durcheinander, Vera! Wenn du deine Puppe verloren hast, such sie, aber belästige mich nicht damit und wirf mir nicht alle Kissen von der Couch.
    Ich ging zwar hinaus, aber nicht zu Vaters Wagen. Zur Scheune ging ich, holte mir einen Spaten und lief zu meinem Auto. Zweimal verlor ich unterwegs einen Schuh, erst den linken, dann den rechten, zog ihn mit den Händen aus dem Boden, schlüpfte mit nassen, schmutzigen Füßen hinein und marschierte weiter.
    Die Erde war zäh und schwer. Und die Mühe umsonst. Mit Graben bekam ich die Reifen nicht frei. Ich ging zurück und holte mir Bretter. Es lag noch ein Stapel in der Scheune. Die Handwerker hatten sie für ein Gerüst benutzt, als sie die Fassade renovierten.Schwere Bretter, ich konnte jeweils nur eines tragen und die Schuhe nicht mehr ausgraben, als sie erneut stecken blieben. Ich brauchte auch keine Schuhe.
    Siebenhundert Meter zum Auto. Siebenhundert Meter zurück. Siebenhundert Meter mit dem zweiten Brett. In den Löchern rund um die Reifen hatte sich Wasser gesammelt. Meine Füße wurden in Annes durchtränkten Socken zu kalten, gefühllosen Steinen. Warum konnte ich nicht glauben, was alle glaubten?
    Ein Brustbeutel für Pass und Geld! Mehrere Hundertmarkscheine! Rena hat sich auf ihr Rad gesetzt und ist dem Transporter hinterher. Sie hatte keine Kleidung zum Wechseln in der Tüte. Ein Segel hatte sie dabei. Mit dem Wind

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