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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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bleibt selten länger als zwei Stunden weg.»
    Was ich sie hatte fragen wollen, war beantwortet. Es gab keinen Grund, noch länger zu bleiben. Es gab auch keinen Grund, nach Otto zu fragen. Aber ich wollte nicht unhöflich sein und tat es.
    «Was macht er denn bei Hennessen?»
    Sie lächelte wieder. «Schönwetter. Kannst dich bei ihm bedanken, wenn er kommt. Ich hab’s nicht geschafft, es Hennes auszureden.Dreimal war er hier und hat getobt, dass ihr ihm die Stute bezahlen müsst, sonst zeigt er euch an. Mindestens fünfzehn wollte er.»
    «Nein, fünf», sagte ich. «Fünftausend hatten wir vereinbart.»
    Ihr Lächeln bekam einen Hauch von Erbarmen. Sie füllte mein Glas zum vierten Mal. «Ich red nicht von der Bella. Die könnt ihr abschreiben. Sie ist zwar noch zu jung für die Zucht. Aber Hennes will sie jetzt behalten. Er braucht einen Ersatz für die Fuchsstute, hat er zu Otto gesagt. Otto fährt jeden Tag runter und hilft im Stall. Für Hennes allein ist es ein bisschen viel.»
    Sie goss mir den fünften Schnaps ein, sagte dabei: «Hennes ist ein Schlitzohr auf seine Art. Er tut immer so, als ließe er die jungen Leute aus purer Gutmütigkeit zu jeder Tageszeit in den Stall. Dabei ist er drauf angewiesen, dass sie ihm zur Hand gehen. Rena hat ihm ’ne Menge Arbeit abgenommen. Jetzt ist sie nicht mehr da, und Udo lässt sich auch nicht mehr blicken. Na, der wird im Moment auch genug zu tun haben. Es muss sich ja einer um Kuhlmanns Vieh und die Rüben kümmern. Hennes hat vor Jahren mal gesagt, eigentlich müsste er einen Mann einstellen. Damals hat er keinen gefunden, jetzt wird er auch keinen finden. Es geht doch heute keiner mehr als Knecht. Und dann zu so einem.»
    Mit fünf Gläsern Schnaps im Blut war es leicht zu begreifen. Es gab eine simple Erklärung für Jürgens feste Überzeugung von Hennessens Schuldlosigkeit.
    «Er ist schwul», sagte Gretchen. «Hast du das nicht gewusst?»
    Woher denn? Jürgen hatte nie etwas gesagt. Und Vater, der es ebenfalls zu wissen oder zu vermuten schien, hatte sich auch jede Andeutung verkniffen.
    «Ja», seufzte Gretchen, «wenn einer Doktor ist oder Richter, kriegt er genug unter die Nase. Da zerreißt er sich nicht das Maul über so einen armen Hund. Es kann doch keiner was dafür, wie er veranlagt ist. Früher ist Hennes oft nach Köln gefahren. Es hieß sogar mal, da hätte er was Festes. Ich hab zu ihm gesagt; Hennes,wenn du einen Freund hast, warum holst du ihn nicht auf den Hof? Du hast doch Platz genug. Ja, sagte er, bei mir wär Platz, aber im Dorf nicht. Und da musste ich ihm Recht geben.»
    Sie lachte leise. «Ich bin gespannt, wie lange es noch dauert, ehe es heißt, jetzt hätte er was mit Otto. Aber mich kratzt das nicht. Otto auch nicht. Otto sagte, ob ich nun hier rumsitze oder Hennes zur Hand gehe. Auf die Weise ersparen wir dem Doktor und der Vera vielleicht ’ne Menge Ärger.»
    Sie sprach, als ginge Hennessen tatsächlich davon aus, wir hätten seine Zuchtstute getötet. Ich, um genau zu sein!
    «Wundert dich das?», fragte sie. «Er zerbricht sich den Kopf, wer zu so einem Wahnsinn fähig ist. Mehr als zwanzig Stiche sollen es gewesen sein, ein paar in den Hals, die meisten in den Leib. Da sag ich mir auch: Wer das getan hat, kann seine fünf Sinne nicht beisammengehabt haben. Ich hab zu ihm gesagt: ‹Hennes, der Doktor würde sich nie an einem unschuldigen Tier vergreifen, eher hätte er dir den Hals durchgeschnitten. Und die Vera macht einen weiten Bogen um jedes Viehzeug, das weißt du doch.› – ‹Ja›, sagt er, ‹das weiß ich. Aber die Vera war in einer Verfassung, wo sie nicht mehr wusste, was Angst ist. Sonst wär sie nicht zu mir gekommen und hätt mir das ins Gesicht gesagt.› Es könnte nicht schaden, wenn du mal mit ihm sprichst. Das war ein starkes Stück, was du ihm da an den Kopf geknallt hast.»
    «Ich war nicht die Einzige, die ihm das zugetraut hat», sagte ich und erzählte ihr von Scherers Eindruck in Friedels Kneipe. Sie kniff die Augen zusammen.
    «An deiner Stelle wäre ich ein bisschen vorsichtiger, so was laut zu sagen. Am Ende hat Scherer was anderes gemeint. Und wenn du es jetzt ausposaunst, das ist nur Wasser auf die Mühlen von denen, die einer Meinung sind mit Hennes. Er ist nicht der Einzige, der denkt, ihr habt die Stute auf dem Gewissen. Ich hab schon mehr als einen sagen hören, dass es eine Verbindung geben muss. Das wäre sonst zu viel auf einmal. Es leuchtet jedem ein, dass eine Mutteroder ein Vater

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