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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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sich aus Wut und Schmerz rächen wollen, weil ihr Kind weg ist. Aber dass ein Mädchen verschwindet und ein paar Stunden später wird das Pferd abgeschlachtet, mit dem es meist zusammen war, und das eine hat nichts mit dem anderen zu tun, das ist nicht so leicht zu begreifen.»
    Sie beugte sich vor, ihr Ton wurde eindringlich. «Und nun denk mal scharf nach. Wie lange, meinst du, wird es dauern, bis das im Dorf rum ist, was du mir gerade gesagt hast? Im Moment steht jeder noch auf eurer Seite. Das kann sich schnell ändern. Tu dir selbst einen Gefallen und sprich dich mit Hennes aus, bevor es so weit ist. Otto gibt sich Mühe. Aber du hast ihn einen Mörder genannt, das schafft man nur aus der Welt, wenn man sich persönlich gegenübersteht.»
    Ich schüttelte den Kopf.
    Sie zuckte lakonisch mit den Achseln. «Es war nur ein Vorschlag. Du musst selbst wissen, was du tust. Vielleicht überlegst du’s dir nochmal. Wenn Hennes dich erst anzeigt, ist es zu spät. Da magst du hundertmal beweisen können, dass du in deinem Bett gelegen hast. Für die Leute hier bist du es gewesen.»
    Ich spürte, dass sie nur versuchte, mich von Frankfurt fern zu halten. Aber irgendwie tat es gut. Vielleicht lag es am Alkohol. Das Gehirn von einigen Promille sanft umhüllt, sodass Klinkhammers Spekulationen nicht mehr gar so scharf anstoßen konnten, waren es nur Worte über ein totes Pferd und eine Verbindung.
    Jürgen sagte, ich sei betrunken, als ich mit ihm darüber reden wollte. Dass ich mich mit Gretchens Schnaps betrunken hatte, störte ihn nicht. Ihn machte nur wütend, dass sie mir – wo ich nun endlich den hirnrissigen Gedanken an Hennessen aufgegeben hatte – einen neuen Floh ins Ohr setzte. Wir hätten genug am Hals, meinte er, da müssten wir uns nicht auch noch die Köpfe zerbrechen über den Dorfklatsch und Stuten, die uns einen Dreck angingen. Er wollte über Rena sprechen, über sonst nichts.
    Wie schon in der Praxis erklärte er noch einmal lang und breitund mit drei Blutgruppen untermalt, dass sie in Hamburg sein musste. Er war sehr überzeugend. Irgendwann glaubte ich ihm, weil es einfacher war. Zuletzt sagte er, ich solle mich ins Bett legen und meinen Rausch ausschlafen. Das tat ich.
    Währenddessen nahm Olgert in Frankfurt eine Plastiktüte in Empfang. Und während ich von Rennbahnen und Reitställen in Hamburg träumte, inspizierte Olgert die Kleidungsstücke, die sich in der Tüte befanden. Ein hellgraues Sweatshirt, ein Paar dunkelgraue Frotteesocken mit blauen Streifen und eine Jeanshose mit auffälligen Ziernähten.
    Es waren die Sachen, die Rena am 8.   September auf dem Weg zu Hennessen getragen hatte. Am frühen Nachmittag, im strömenden Regen, das Rad durch den Sturm und den Matsch schiebend. Es gab kein Namensschild in Sweatshirt oder Jeans, auch keinen Geruch nach Stall. Trotzdem muss Olgert auf Anhieb gewusst haben, wem sie gehörten. Die Jeans war bis in die Kniekehlen mit Dreckspritzern übersät.
     
    Wann Olgert mit der voll gestopften Tüte und einer Kopie des Telefonmitschnitts aus Frankfurt zurückkam, weiß ich nicht genau. Das ist das Schlimme, man weiß nie etwas Genaues. Selbst dann nicht, wenn einem die Beweise auf den Tisch gelegt werden. Was ist denn bewiesen mit einer Tüte voller Kleidung? Was ist bewiesen mit den Strohstückchen auf dem alten Teppich, mit dem der Bus im hinteren Bereich ausgelegt war? Nur, dass Renas Kleidung und ihr Rad im Bus transportiert worden waren. In den Reifenprofilen gab es auch Strohstückchen.
    Ich hatte mir vorgenommen, alles aufzuschreiben. Ich habe es nicht immer geschafft. Am Dienstag – es war der 20.   September – tat ich am Vormittag das, wozu ich am Montag nicht gekommen war. Ich verließ das Haus um elf, bis dahin hatte ich gewartet, dass Klinkhammer und Olgert auftauchten. Viermal hatte ich in ihrem Büro angerufen, viermal die Auskunft bekommen, sie seien unterwegs.Viermal hatte ich gefragt, was Olgerts Besuch in Frankfurt gebracht hätte, viermal gehört, man sei nicht informiert.
    Ich fuhr zur Tankstelle und danach zu Vater ins Krankenhaus. Ich wusste noch nichts von der Plastiktüte, schwankte zwischen der Überzeugung, die Jürgen meinem umnebelten Hirn eingeimpft hatte, und Klinkhammers harmloser Version, die immer noch schlimm genug war, die aber wenigstens dem Anruf einen Sinn gab. Ich versuchte, Vater das Geständnis abzulocken, dass er sich bei der Stimme am Telefon geirrt hatte, dass es durchaus ein Mädchen, dass es Rena gewesen

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