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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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sein könnte.
    Mutter unterband meine Bemühungen, weil ich Vater zu sehr aufregte. Sie winkte mich aus dem Zimmer. «Wenn du nicht still bist, Vera, muss ich den Arzt rufen. Er meint, dass sich der Zustand deines Vaters verschlechterte, nachdem er sich bereits stabilisiert hatte, weil du diesen Buchstabenzirkus mit ihm veranstaltet hast. Und jetzt fängst du schon wieder an. Wenn du noch einmal hineingehen willst, wirst du ihm sagen, es sei alles in Ordnung. Sag ihm, die Polizei weiß, wo Rena und ihre Freunde sich aufhalten. Sag ihm, die Polizei ist sicher, dass Renas Freundin am Telefon war. Herr Klinkhammer meinte, es könnte Renas Freundin gewesen sein. Aber   … Nein, ich weiß, was du ihm sagst. Rena selbst habe angerufen, weil der junge Mann einen Autounfall hatte. So sagst du es ihm, das wird ihn beruhigen.»
    Ich sagte es ihm. Er reagierte nicht, drehte nur den Kopf zur Seite und schloss die Augen. So sprach ich mit Mutter, stimmte ihr zu, dass es bei den Fleischportionen in der Tiefkühltruhe und meiner augenblicklich doch sehr knappen Zeit ratsam sei, für zwei Tage zu kochen. Und dass ich mir nicht die Mühe machen sollte, sämtliche Fenster zu putzen. Dass es völlig ausreichte, wenn ich den Staub von außen trocken abwischte.
    Kurz vor eins war ich wieder daheim, setzte mich ins Esszimmer und schrieb den gesamten Montag nieder. Ich kam bis zu dem Punkt, als Anne mich weckte – gegen sechs am Abend   –, wo sie mirsagte, sie hätte eine Suppe gemacht. Als ich antwortete: «Ich glaube nicht, dass ich etwas davon runterbringe, ich habe scheußliche Kopfschmerzen, übel ist mir auch.» Als Annes Gesicht sich mit Ablehnung überzog. «Mutti, du darfst dich nicht so hängen lassen. Siehst du denn nicht, dass Papa Recht hat? Wenn Rena mit Nita und Menke zusammen gewesen wäre, hätte Klinkhammer längst angerufen. Olgert ist heute Morgen nach Frankfurt gefahren. Auch wenn er noch nicht wieder hier ist, er hat sich garantiert inzwischen bei Klinkhammer gemeldet. Jede Wette, Mutti, sie wissen längst Bescheid, und jetzt ist ihnen das unangenehm. Pass auf, morgen früh stehen sie mit betretenen Mienen vor der Tür und bedauern, dass sie dich unnötig aufgeregt haben. Vielleicht sind sie auch zu feige und rufen nur an.»
    Bis zu dem Punkt kam ich. Sie hatten weder angerufen, noch waren sie persönlich und mit betretenen Mienen erschienen. Ich schrieb noch ein paar Sätze über Feigheit, über Polizisten, die einem den Boden unter den Füßen wegziehen und dann den Mut nicht aufbringen, ihren Irrtum einzugestehen. Und ein paar Worte über die Hoffnung, dass Jürgen Recht hatte und ich bald mit Vater reden könnte wie in alten Zeiten.
    Unterbrochen wurde ich durch Anne, die aus der Schule kam. Minuten später fuhr Jürgen auf den Hof. Wir machten uns rasch etwas zu Mittag. Danach ging Anne nach oben, ich räumte die Küche auf. Jürgen fuhr zurück in die Praxis.
    Ich wollte weiterschreiben über seine Wut, die inzwischen den Siedepunkt überschritten hatte. Über die Konsequenzen, die ihre Schlampigkeit für Klinkhammer und Olgert haben sollte. Bei Eiern und Brot hatte Jürgen sich genüsslich darüber ausgelassen, wen er ihnen alles auf den Hals hetzen wollte. Den guten Doktor Steinschneider und die Presse natürlich; weil die Spur nach Hamburg in der Zwischenzeit kalt geworden sein dürfte.
    Danach wollte ich zu Hennessen. Mich bei ihm entschuldigen für meine haltlose Verdächtigung, mit ihm über die Fuchsstute reden,über die Verbindung, die man im Dorf vermutete. Und über Scherers Eindruck in Friedels Kneipe. Wenn Jürgen Recht hatte, stand ich doch wieder am Anfang. Aber dann stand ich am Ende.
    Klinkhammer und Olgert brachten die Tüte. Sie hatten sich Zeit gelassen bis zum frühen Nachmittag, nicht aus Feigheit, nur um sicherzustellen, dass Anne daheim war. Vielleicht hatten sie gehofft, sie allein anzutreffen. Anne sollte sich die Kleidungsstücke ansehen und sagen: «Ja, diese Sachen hat meine Schwester getragen, als ich sie zum letzten Mal sah.»
    Genau das sagte Anne. Ich stand dabei und hatte ein Messer im Kopf. Es schnitt mir das Gehirn in Streifen. Meine Tochter, meine hübsche, sensible, mutige, mitfühlende Rena auf dem Straßenstrich, in irgendeiner üblen Spelunke, in irgendeinem Dreckloch, in Frankfurt. Mit Prügel und Drogen von irgendeinem Schwein zur Prostitution gezwungen.
    Klinkhammer ließ mich nicht aus den Augen, obwohl er ausschließlich zu Anne sprach. Sie sollte sich den

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