Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs
nicht verheiratet. Tatsächlich hatte ich ihnen, nach zweijähriger Geheimhaltung, eben erst eröffnet, dass ich mit Jed fest zusammen war, und sie waren erschüttert. Meine Mutter ging praktisch in Trauer. Als Kind hatte ich jede Menge Tipps von ihr bekommen, wie der richtige Mann zu finden sei. «Heirate niemanden, der zu gut aussieht – gefährlich. Das Wichtigste an einem Ehemann sind ein moralischer Charakter und Gesundheit; wenn du einen kränklichen Mann heiratest, wirst du ein schreckliches Leben haben.» Aber sie war stets davon ausgegangen, dass der nicht kränkliche Ehemann Chinese wäre, idealerweise aus Fujian stammend, mit Doktortitel. Dass Jed auf der Schauspielschule gewesen war, fanden meine Eltern nicht im Geringsten interessant, geschweige denn beeindruckend.
«Die Schauspielschule?», wiederholte mein Vater vom Sofa aus, wo er mit steinerner Miene neben meiner Mutter saß und Jed anstarrte. «Sie wollten Schauspieler werden?»
Die Namen Val Kilmer und Kelly McGillis sagten meinenEltern offenbar nichts, sie saßen weiter wie zwei Statuen auf dem Sofa. Doch als Jed bei seinem Rauswurf anlangte, der ihm ein halbes Jahr als Kellner in New York eingetragen hatte – in westlichen Kreisen ist der Teil der Geschichte immer ein Renner –, schnappte meine Mutter nach Luft.
«Rausgeworfen?» , flüsterte sie und warf meinem Vater einen entsetzten Blick zu. Erfahren zu müssen, dass Jed Weißer und Jude ist, war schon schwer genug gewesen.
«Steht das in Ihrem Lebenslauf?», fragte mein Vater düster.
«Keine Sorge, Dad!» Ich lachte tröstend. «Es hat sich doch als Glücksfall herausgestellt. Jed hat stattdessen Jura studiert, und er liebt das Recht. Alles ist gut – es ist einfach eine witzige Geschichte.»
«Aber jetzt, sagst du, arbeitet er für den Staat», wandte mein Vater anklagend ein.
Zum dritten Mal setzte ich meinem Vater geduldig auseinander, dass Jed aus Engagement für das Allgemeinwohl bei seiner Wall-Street-Kanzlei gekündigt hatte, um in der Staatsanwaltschaft für den südlichen Gerichtsbezirk des Staates New York zu arbeiten. «Das ist sehr hoch angesehen, Dad!», erklärte ich. «Und die Stelle war wirklich schwer zu kriegen. Jed hat dafür achtzig Prozent weniger Gehalt in Kauf genommen.»
«Achtzig Prozent!» , platzte meine Mutter heraus.
«Mama, es ist doch nur für drei Jahre», sagte ich ermattet und war nahe daran aufzugeben. Wenn wir vor unseren westlichen Freunden erzählten, dass Jed für den Dienst an der Öffentlichkeit eine Gehaltskürzung akzeptierte, waren die Reaktionen stets «Das ist aber stark!» und «Gut für dich!», zusammen mit einem aufmunternden Schulterklopfen. «Auf jeden Fall ist es eine wichtige Erfahrung. Jed liebt Prozesse. Vielleicht will er Strafverteidiger werden.»
«Warum?», fragte meine Mutter bitter. «Weil er eigentlich Schauspieler sein wollte?» Sie spie das Wort aus, als haftete ihm ein unauslöschlicher sittlicher Makel an.
Wenn ich jetzt daran zurückdenke, staune ich, wie sehr meine Eltern sich seither verändert haben. Zu dem Zeitpunkt, als ich den Entschluss gefasst hatte, Lulu zum Vorspielen an die Juilliard School zu schicken, beteten meine Eltern ihren Schwiegersohn längst an. (Ironischerweise war unterdessen der Sohn aus einer befreundeten Familie ein berühmter Schauspieler in Hongkong geworden, und auch die Einstellung meiner Eltern zur Schauspielerei hatte sich radikal gewandelt.) Mittlerweile hatten sie auch gehört, dass Juilliard berühmt ist («Yo-Yo Ma!»). Aber so wenig wie Jed konnten sie begreifen, weshalb ich Lulu unbedingt im Pre-College-Programm der Juilliard School unterbringen wollte.
«Sie soll doch nicht von Beruf Geigerin werden, oder?», fragte mein Vater befremdet.
Ich hatte darauf keine Antwort, was mich aber nicht daran hinderte, starrsinnig an meinem Vorhaben festzuhalten. Zeitgleich mit Sophias CD für den Klavierwettbewerb reichte ich Lulus Bewerbung für die Juilliard School ein.
Wie ich schon sagte, ist die Erziehung nach chinesischer Art weitaus schwerer als die westliche Kindererziehung. Für Anwandlungen von Müdigkeit ist kein Platz. Nachdem ich zwei Monate lang mit Sophia rund um die Uhr an ihren Stücken gearbeitet hatte, musste ich mich, kaum damit fertig, Lulu zuwenden und dasselbe für sie tun.
Das Vorspielen für das Pre-College-Programm der Juilliard School ist so gestaltet, dass der Druck nicht größer sein könnte. Bewerber in Lulus Alter mussten vorbereitet sein,
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