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Die Nacht am Strand: Roman (German Edition)

Die Nacht am Strand: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht am Strand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Katzentisch wäre besser
gewesen, denkt Sydney und fragt sich dann, ob sie vielleicht gar nicht beim Essen
hätte dabei sein sollen. Nein, sagt sie sich, Mr. Edwards würde nie zulassen, dass
sie fehlt.
    »Washington und Teheran haben wichtige gemeinsame Interessen«, erklärt
Jeff, »aber aus historischen und ideologischen Gründen möchte keiner mit dem anderen
gesehen werden.«
    »Bush hat kein Geheimnis aus seiner Absicht gemacht, den Irakern bei
der Befreiung von Saddam zu helfen«, wirft Art ein.
    »Die eines der obersten Ziele des verstorbenen Ayatollah Khomeini war«,
stellt Jeff fest.
    Wieder sitzen Mr. und Mrs. Edwards an den beiden Enden des ovalen Tischs.
Claire und Will, generationsmäßig in der Luft hängend (sie sind nicht so alt wie
Mrs. Edwards; nicht so jung wie Ben), bieten eine geschlossene Front, schaffen
es sogar, ihre Stühle zusammenzurücken, und bringen damit Mrs. Edwards’ Sitzordnung
durcheinander, die praktisch sofort aufgegeben werden muss. Marissa – eingebildete
Kränkungen sind vergessen – scheint fasziniert von Wendys Insiderkenntnissen der
New Yorker Presseszene. Sydney sieht den rasanten Beginn einer Freundschaft, auch
wenn noch nicht klar ist, was außer atemloser Aufmerksamkeit Marissa der neuen Freundin
zu bieten hat. Marissas Ehemann Ferris legt die bemühte Zurückhaltung des von Alkohol
umgebenen genesenden Alkoholikers an den Tag. Victoria spricht etwas lauter als
unbedingt nötig und hat Schwierigkeiten mit dem Wort Entscheidung .
Vor ihr steht eine fast leere Champagnerflasche, aus der nur sie getrunken hat.
Mr. Edwards – stets der joviale Gastgeber – schenkt großzügig ein. Sydney beobachtet
fasziniert, wie im Alkohol nicht nur die Konsonanten, sondern auch die Gesichtszüge
verschwimmen. Victorias Mund ist erheblich schlaffer geworden, und das Weiß ihrer
Augen ist rosig angelaufen. Selbst die Haut unter ihren Augen ist erschlafft. Es
hat eine subtile, aber ziemlich vernichtende Transformation stattgefunden, nach
der Victoria nicht mehr als schönste Frau am Tisch bezeichnet werden kann.
    »Ihr habt die Geschichte von Princeton und Yale gehört?«, fragt Ben.
    »Den Skandal hat eigentlich Princeton verursacht«, meint Jeff.
    »Nein, was denn?«, will Art wissen.
    »Princeton ist beim Einbruch in Yales Zulassungsarchiv erwischt worden«,
verkündet Ben mit einer gewissen Schadenfreude.
    Vielleicht haben sie ihn in Princeton nicht genommen, denkt Sydney.
    »Haben sie nicht erklärt, sie hätten von den Informationen keinen Gebrauch
gemacht?«, wirft Mr. Edwards ein.
    »Dad, sie haben sich in drei Tagen vierzehnmal in den Yale-Computer eingehackt.«
    »Da werden Köpfe rollen«, prophezeit Art.
    Man kann nicht behaupten, dass das Essen ein voller Erfolg ist. Das Lamm
ist nicht richtig durchgebraten. Wendy und Art keifen sich vor allen anderen gegenseitig
an, weil Wendy sich darüber ärgert, dass Art sie mit seinen ewigen Fragen beim Gespräch
mit Marissa stört. Wann ist eigentlich diese Filmvorführung,
zu der wir wollten? Ich habe dir doch schon mal gesagt, am zwanzigsten. Schätzchen?
WAS IST? Ben ist still, und Jeff wirft immer wieder besorgte Blicke in Victorias
Richtung. Mrs. Edwards, ganz auf den Nachtisch konzentriert, fragt nicht, was Julie
vorhat oder wann sie nach Hause kommen wird, als das junge Mädchen mit einem raschen Tschüs vom Tisch aufsteht – ein Versäumnis, das Sydney
bestürzend findet. Sie muss sich zusammennehmen, um nicht aufzuspringen und Julie
in die Küche nachzulaufen. Sie müsste tatsächlich aufspringen, denn Julie ist schon
im nächsten Moment zur Tür hinaus. Sie fährt nicht Auto. Will sie also zu Fuß gehen?
Oder wartet draußen auf der Straße ein Auto auf sie? Wenn ja, wann wurde diese Verabredung
getroffen? Nach Julies heldenhaftem Ausflug ins Wasser? Über Telefon? Angeregt von
dem Jungen mit dem schönen braunen Haar oder von Julie selbst?
    Sydney fühlt sich verantwortlich wie eine Mutter. Mr. Edwards, der hilflos
eingequetscht am anderen Ende des Tisches sitzt, scheint Julies Verschwinden nicht
einmal bemerkt zu haben.
    Elf Uhr, nimmt sie sich vor. Vor elf wird sie sich keine Sorgen machen.
    »Der Acela hat den Betrieb eingestellt«, bemerkt Ferris, einer seiner
wenigen Beiträge zum Tischgespräch. Vielleicht hat er sich die Neuigkeit den ganzen
Abend aufgespart.
    »Das kann nicht wahr sein«, sagt Art.
    »Risse in den Stoßdämpfern.«
    Das hat das Potenzial einer ernsten Krise. Wie sollen Art und Wendy nach
Hause

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