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Die Nacht am Strand: Roman (German Edition)

Die Nacht am Strand: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht am Strand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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nehmen.
    »Nett? Wo denn? Auf dem Golfplatz?«
    »Er hatte eine ganze Menge über alte Landkarten zu erzählen.«
    Mrs. Edwards zieht ihre Bananenspange aus den Haaren. Sydney bemerkt,
dass ihr nicht ein einziges Härchen in den Nacken fällt.
    Mr. und Mrs. Edwards gehen die Treppe hinauf, Mr. Edwards aufs Geländer
gestützt. Es versteht sich von selbst, dass der Rest des Geschirrs – die Likörgläser,
die Kaffeetassen mit den dunklen Ringen – bis zum Morgen warten muss, wenn der Erste,
der auf ist, die Spülmaschine leeren und neu laden wird. Sydney tritt zum Küchenfenster
und schaut hinaus.
    »Sie machen sich Sorgen um Julie«, sagt Jeff hinter ihr.
    Sydney dreht sich herum und streicht sich das Haar hinter die Ohren.
»Ja. Wie spät ist es jetzt?«
    »Zehn vor elf.« Er antwortet ohne Zögern, hat offensichtlich erst vor
Kurzem auf die Uhr gesehen.
    »Hätte ich sie doch nur gefragt, wo sie hinwill.«
    »Wollen Sie mit mir fahren und sie suchen?« Jeffs Blick verrät seine
innere Spannung.
    »Oh ja«, antwortet Sydney erleichtert. »Das ist besser, als hier herumzusitzen
und zu warten.«
    »Ich sage nur Ben Bescheid. Er kann uns anrufen, wenn sie heimkommt.«
    Schönwetterdunst, so fein, dass er kaum wahrnehmbar ist, legt sich auf
Sydneys Gesicht. In der Ferne findet ein Feuerwerk statt. Es findet dauernd irgendwo
ein Feuerwerk statt, wie Sydney bemerkt hat, und jede Gemeinde ist stolz auf ihre
eigene Darbietung. Manchmal, wenn sie abends aus einem der oberen Fenster schaut,
kann Sydney überall am Horizont kleine Explosionen erkennen wie Artilleriefeuergarben.
    Der Land Rover rumpelt über die Strandstraße zum Dorf. Die Straßenlampen
werfen nur schmale Lichtkegel. Häuser treten undeutlich aus der Dunkelheit, ein
oder zwei noch mit erleuchteten Fenstern. Sydney wendet den Blick von den Häusern
und richtet ihn auf Jeff am Lenkrad des Land Rover.
    »Wohin fahren wir?«
    »Ich weiß da ein paar Plätze«, sagt Jeff und deutet mit seiner Antwort
Jahre heimlicher Spiele mit Sex und Alkohol im Teenageralter an. Es muss eine herrliche
Jugend gewesen sein, denkt Sydney.
    Jeff parkt am Ende einer baumbestandenen kleinen Straße ähnlich der,
an der die Tennisplätze liegen. Er führt Sydney zu einem kleinen Strand, den sie
nicht kennt. Sie kommt sich vor wie ein unbefugter Eindringling. Fern der Meeresbrise
sind die Mücken unerträglich. Leise, als wollte er die Liebespärchen nicht stören,
die vielleicht am Strand sind, ruft Jeff den Namen seiner Schwester. Er erhält keine
Antwort. Der Strand ist nur ungefähr fünfzehn Meter breit, und als Sydneys Augen
sich an die Dunkelheit gewöhnt haben, kann sie erkennen, dass dort nichts ist außer
Büscheln trockenen Seetangs.
    Der Wagen rollt langsam eine weitere stille Straße hinunter. Aus einem
offenen Fenster hört Sydney das Geräusch eines Ventilators. Jeff sitzt leicht vorgebeugt,
beide Hände am Lenkrad. Sydney sitzt mit verschränkten Armen neben ihm.
    »Hier scheint nicht viel los zu sein«, sagt sie. »Wonach suchen wir?«
    »Nach einer Party«, antwortet Jeff angespannt.
    Sydneys leichte Befürchtungen haben sich bei Jeff offensichtlich in helle
Panik gewandelt, ähnlich wie ein Virus, das, wenn es auf einen neuen Wirt überspringt,
zu einer widerstandsfähigeren und gefährlicheren Abart mutiert.
    Sydney späht in die erleuchteten Fenster der Cottages in der Hoffnung,
Julie irgendwo zu entdecken, und nimmt fasziniert wahr, wie die Leute im Urlaub
an der Küste von New Hampshire leben. Kaum irgendwo der zuckende blaue Lichtschein
von Fernsehapparaten, dafür eine überraschend große Anzahl runder Tische mit Spielkarten
darauf.
    »Sind Sie sicher, dass sie nicht doch irgendwelche Pläne erwähnt hat?«,
fragt Jeff.
    »Am Nachmittag haben wir zwei Jungen getroffen, Joe und Nick. Sie wollten
zum Golfen und sind kurz stehen geblieben, um mit Julie zu reden. Einer der Jungen,
Joe, hat sich, glaube ich, für sie interessiert und sagte etwas davon, dass sie
sich einmal sehen könnten.«
    »Warum haben Sie mir das nicht früher erzählt?«
    Sydney fühlt den feinen Stich des Vorwurfs. »Sagen Ihnen die Namen etwas?«,
fragt sie.
    Jeff kneift die Augen zusammen. »Nein. Haben Sie einen Nachnamen mitbekommen?«
    Sydney schüttelt den Kopf. »Sie könnte bei einer Freundin sein.«
    »Haben Sie von irgendwelchen Freundinnen von Julie gehört?«
    »Nein.«
    Ein Auto nähert sich ihnen. Sie starren beide die Insassen an.
    »Sie ist so ein süßes Mädchen«, sagt

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