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Die Nacht am Strand: Roman (German Edition)

Die Nacht am Strand: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht am Strand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Beisein seiner Eltern und ihrer Freunde
gehemmt, was Victoria – Vicki – vielleicht eine Spur unattraktiv
findet? Sie sehen jedenfalls ganz sicher nicht wie ein Paar aus, das kurz vor der
Bekanntgabe seiner Verlobung steht. Eine Enttäuschung vermutlich für Mrs. Edwards,
die, waghalsig in Anbetracht ihrer neunundfünfzigjährigen Oberarme, ein Trägerhemdchen
aus fuchsienrotem Chiffon zu einer schwarzen Palazzohose trägt.
    Mit einem Gefühl unheilvoller Ahnung bemerkt Sydney, dass Ben aufsteht
und mit einer Flasche rotem in der einen Hand und einer Flasche weißem Wein in der
anderen die Runde macht.
    »Sie trinken Bier«, sagt er, bei ihr angelangt.
    »Stimmt«, antwortet sie, das Offenkundige bestätigend.
    »Möchten Sie noch eines?«
    Sydney hätte gern noch eines, möchte aber Ben nicht dankbar sein müssen,
nicht einmal für so etwas Harmloses wie ein Glas Bier. »Danke, ich habe alles, was
ich brauche«, sagt sie.
    Ben stellt die Weinflaschen auf den Teaktisch und setzt sich Sydney gegenüber
auf die Treppenstufe. Er lehnt sich ans Geländer. Sydney ist sich prompt der Nacktheit
ihrer Beine bewusst, was zuvor nicht der Fall war.
    Sie merkt außerdem, dass Ben sie eingehend betrachtet, und nimmt ihm
die Musterung übel. Er hat einen lässigen Dreitagebart, wahrscheinlich lediglich
die Folge von zwei Tagen ohne Rasierer. Bei der Arbeit ist er sicher immer tadellos
rasiert.
    »Ich wette, Sie sind verdammt gut im Tennis«, sagt er, den Blick auf
sie gerichtet.
    »Nicht so gut wie Sie«, antwortet sie, den Blick zu ihrem Bier gesenkt.
    »Ich höre, Sie haben Julie dazu gebracht, ins Wasser zu gehen.«
    »Ich glaube, sie hat sich selbst dazu gebracht.«
    »Sie sind zu bescheiden.«
    »Stimmt nicht.« Sie trinkt einen Schluck.
    »Es ist sicher nicht lustig, auf einer Party zu sein, wo man keinen kennt.«
    »Ich kenne Julie. Ich kenne Ihren Vater«, versetzt sie und bedauert augenblicklich
ihren defensiven Ton.
    »Und das reicht Ihnen?«
    »Fürs Erste.«
    »Noch zwei Wochen in der Tretmühle, und dann endlich die Freiheit«, sagt
Ben.
    Sydney fragt sich, wie sie Bens Urlaub hier überstehen soll. »Sie haben
keine Freundin?«, fragt sie.
    »Nein«, antwortet er, als verstünde er genau, dass Sydney auf der Hut
ist. »Nicht mehr.«
    Sydney ist überzeugt, dass, vor die Wahl gestellt, sieben von zehn Frauen
Ben seinem Bruder vorziehen würden. Er hat die markanteren Gesichtszüge, eindeutig
den kräftigeren Körper, dazu dunkle Augen mit langen Wimpern. Ein Selbstvertrauen,
das an Arroganz heranreicht, aber die Grenze nicht ganz überschreitet. Es ist auch
etwas Geheimnisvolles an Ben, er hat einen unergründlichen Blick, und so etwas finden
viele Frauen faszinierend.
    »Spielen Sie Golf?«, fragt Ben.
    »Nein.«
    »Was tun Sie dann an Ihren freien Tagen?«
    Soll die Frage Sydney daran erinnern, dass sie die Hausangestellte ist?
»Kommt ganz aufs Wetter an«, antwortet sie.
    »Morgen wird es wieder so«, prophezeit Ben und umfasst mit einer Armbewegung
den Himmel und den Atlantik, vielleicht das ganze Universum.
    »Lesen«, sagt Sydney. »Wandern.«
    »Wir fahren vielleicht alle nach Portsmouth«, bemerkt Ben beiläufig.
    »Das wird sicher nett«, sagt Sydney, obwohl ihr schleierhaft ist, was
am Sonntag in Portsmouth groß los sein soll.
    »Wollen Sie mitkommen?«
    »Danke, aber ich muss am Montag sowieso reinfahren. Wäre Quatsch, es
zweimal zu tun.«
    Ben lächelt sie an. Sydney erinnert sich, wie ihr Vater vor Jahren einmal
gesagt hat, es gibt immer einen, der weiß, was in dir vorgeht.
    Sydney steht auf.
    »Wohin wollen Sie?«, fragt Ben.
    »Ich hole mir noch ein Bier.« Sie will nur weg.
    In der Küche drückt sie die Stirn an die rostfreie Stahltür des Sub-Zero.
    »Stimmt etwas nicht?«
    Die Frage ist nicht unbedingt anteilnehmend, der Ton sagt eher, dass
jetzt nicht der rechte Moment für eine Unpässlichkeit ist. Mrs. Edwards stellt
einen leeren Teller auf die Granitplatte der Kücheninsel.
    »Alles in Ordnung«, versichert Sydney und dreht sich herum.
    »Würden Sie mir helfen?«, fragt Mrs. Edwards.
    »Aber gern«, antwortet sie.
    Sydneys Platz an dem ovalen Tisch ist im Grunde nicht vorhanden.
Sie hat zwar einen Stuhl, auf dem sie allerdings restlos eingepfercht ist, und Raum
genug für einen Teller, aber nicht für das Besteck, das neben ihrem Wasserglas liegt.
Sie presst beim Essen die Arme an den Körper, um Mrs. Edwards zu ihrer Rechten
und Ferris zu ihrer Linken nicht ins Gehege zu kommen. Ein

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