Die Nacht am Strand: Roman (German Edition)
dass es sich um Alkohol handelt?«
Ben verdreht die Augen. Sydney kann den Alkohol riechen. Sie nickt Jeff
zu.
Er greift sich mit der Hand an den Kopf. »Ich bring das Schwein um.«
»Wir wissen noch nicht einmal, wer das Schwein ist«, sagt Ben.
Sydney sagt nichts von den kleinen Stück Naht, das eingerissen ist, wird
vielleicht nie etwas davon sagen.
»Julie«, sagt sie, »komm, ich bringe dich nach oben.«
Einen Moment lang denkt Julie über den Vorschlag nach. Sydney hilft ihr
auf. Aber diese einfache Bewegung ist zu viel, Julie stürzt zur Gästetoilette in
der Diele, zu der mit der unglücklichen Akustik.
Im Wohnzimmer hören Sydney und die Brüder zu und sagen nichts. Ben steht
am Fenster und schaut zum Meer hinaus, das er nicht sehen kann. Sein Gesicht ist
angespannt vor Konzentration, als meinte er, einen Namen hervorzaubern zu können,
wenn er nur angestrengt genug nachdenkt. Jeff hockt vorgebeugt auf der Sesselkante,
die Hände im Nacken verschränkt. Mit einem Ruck hebt er den Kopf.
»Ben, sagen dir die Namen Joe und Nick etwas? Es müssten Jungs in Julies
Alter sein.«
Ben dreht sich herum. Sein Blick fliegt hin und her, während er zuerst
an einen Jungen denkt und dann an einen anderen, denen er vielleicht Segelunterricht
gegeben, die er vielleicht auf dem Golfplatz gesehen hat. »Da war einer, ja – Jared
Soundso, Jared… aber der müsste jetzt Mitte zwanzig sein.«
Julie kommt aus der Toilette. Sydney steht auf und berührt ihren bloßen
Arm. Die Haut ist kalt und klamm. Sydney hofft, dass Julie den größten Teil des
Alkohols von sich gegeben hat. Sie ist immer noch unsicher auf den Beinen, und Sydney
muss sie unterhaken. Julie atmet durch den Mund. Ihr Haar klebt an ihrer Kopfhaut.
»Ich bringe sie nach oben«, sagt Sydney zu den Brüdern.
Julie und Sydney bewältigen zuerst die Treppe und dann den oberen Flur.
Sydney hat den Eindruck, dass Julie nicht weiß, wo sie ist, dass sie, wenn sie sie
losließe, einfach zu Boden sinken würde.
Ihr Zustand ist ernster, als Sydney gedacht hat. Vielleicht ist es gar
kein so guter Gedanke, Julie ins Bett zu packen. Sydney hat in den Zeitungen Geschichten
von Komasäufern gelesen, die im Schlaf gestorben sind. Einen Freund »seinen Rausch
ausschlafen zu lassen« kommt inzwischen fahrlässiger Tötung gleich.
Julie fällt wie eine Gliederpuppe aufs Bett. Sie landet in unbequemer
Haltung, und Sydney hilft ihr in eine bequemere. Es ist nicht nötig, ihr die Kleider
auszuziehen.
»Julie«, sagt Sydney, jetzt nicht mehr so behutsam.
Julie öffnet die Augen.
»Wo bist du gewesen?«
Ihre Augen sind glasig. »Auf ’ner Party«, antwortet sie mit Anstrengung.
»Bei wem? Wer hat dich mitgenommen?«
Aber Sydney hat eine Frage zu viel gestellt. Julie schüttelt den Kopf.
»Weißt du, wo die Party war?«, fragt Sydney.
Julie antwortet mit einer Bewegung, die beinahe ein Schulterzucken ist.
»Bist du zu Fuß hingegangen?«
Sydney sieht ihr an, dass sie angestrengt nachdenkt, als hätte Sydney
sie gefragt, was für ein Kostüm sie zu Halloween getragen hat, als sie zehn war.
»In wessen Auto bist du mitgefahren?«
Julie schüttelt wieder den Kopf.
»Nicks? Joes?«, fragt Sydney, aber Julie macht die Augen zu.
Sydney zieht vorsichtig die dünne Bettdecke unter dem schlaffen Körper
des jungen Mädchens hervor und deckt ihn damit zu. Sie streicht ihr über die Stirn.
Die Haut ist kalt und feucht. Obwohl Sydney selbst gelegentlich so viel getrunken
hat, dass das Zimmer sich drehte, war sie nie zuvor in dieser Situation – weder
als Betreuerin noch als Berauschte.
Das einzige Licht kommt aus dem Flur. In einer düsteren Ecke von Julies
Zimmer steht ein kurzes Regal mit Plüschtieren, alle ohne Farbe in der Dunkelheit.
Auf einem altmodischen Toilettentisch mit einer Spitzendecke darauf befinden sich
einzelne Schmuckstücke, ein Fläschchen mit Kontaktlinsenlösung, eine Haarbürste,
ein CD-Kasten und verschiedene Haargummis. Auf dem Boden liegen zwei Stoffstücke,
der türkisblaue Bikini. Der Anblick des abgelegten Badeanzugs, den Juli mit solchem
Stolz getragen hat, geht Sydney ans Herz.
Durch ein offenes Fenster kann sie den Ozean hören. Zwei Häuser von den
Edwards entfernt steht ein renoviertes Cottage. Die Frau, der es gehört, hat den
Einbau von schalldichten Fenstern verlangt, damit sie nicht ständig die Brandung
hören muss.
Warum an die Küste kommen, wenn nicht, um den Schlag der Wellen zu hören?
Neben ihr regt sich
Weitere Kostenlose Bücher