Die Nacht der Uebergaenge
bestimmt und blitzte Manasses warnend an, der schuldbewusst das
Haupt senkte, um sein Einverständnis zu zeigen.
(*Wiedergutmachung)
- Ich wusste, dass du einen neuen Anzug gut brauchen
würdest, mein treuer Krieger! Du hast wahrlich ersprießlich gesprochen! Deine
Worte haben nicht nur die Patrona mit Stolz erfüllt! -
Dieser private Gedanke ging direkt an Nathan, dessen unterschwellige
Aggressivität sie noch spürte, das war verständlich, wenn man bedachte, dass
man ihn von seiner Seelenverwandten hatten trennen wollen, das war für jeden
Immaculate unerträglich.
- Awendela, komm bitte herein! Deine Hilfe wird hier
gebraucht! -, rief das Orakel dann noch, weil sie die Anwesenheit der Frau
vor den großen Türen des Saales spürte.
2.
Geister der Vergangenheit
Kurz zuvor draußen vor der Tür…
Wendy hatte sich umgezogen, während das Ritual vollzogen
worden war. Sie hatte vor den breiten Flügeltüren gewartet, bis die Gäste
herausströmten, damit sie die erste Gratulantin sein konnte. Doch etwas stimmte
nicht. Die Gäste kamen zwar heraus, aber die Krieger und die neuen Devenas
blieben im Saal und die Türen schlossen sich, bevor Wendy einen Blick hinein
werfen oder besser noch, hinein huschen konnte.
Sie konzentrierte sich und versuchte, zu lauschen. Doch das Haus des Orakels
war voller Macht und Magie. Eine im Vergleich zu ihr kleine, wenn auch nicht
gerade unbedeutende Seele, würde nicht dagegen ankommen. Dafür hätte sie ihre
Schwestern mitbringen müssen. Gemeinsam waren die Wanderinnen zwischen den
Welten, wie man die Tri’Ora nannte, nahezu unschlagbar, natürlich nicht so
stark wie die Krieger, die hinter dieser Tür verborgen geblieben waren. Allein
jedoch so verwundbar wie jeder andere Immaculate auch. Wendy würde den Tag
ihrer größten Schwäche niemals vergessen. Jeder Blick in den Spiegel erinnerte
sie daran.
Oh nein, vergessen würde sie nie und ihr Herz war manchmal schwarz vor Zorn,
auch wenn andere behaupteten, ihre Seele wäre so rein und weiß wie das Orakel
selbst. Doch auch das Orakel musste manchmal dunkle Gefühle in sich tragen.
Wie sonst wäre es wohl dazu in der Lage, gerecht über sie alle zu herrschen und
seine Urteile zu fällen?
Wendy glaubte fest daran und daran, dass man ihr die Nacht, die in ihrem
Inneren manchmal herrschte, vergeben würde, weil ihr richtiger Name, Awendela,
übersetzt eigentlich Der Morgen bedeutete und von dem Neubeginn und der
Wiederauferstehung kündete, die sie schenken durfte.
Tri’Ora. Allein der Name klang mystischer als
die Sache an sich eigentlich war. Es gab nicht nur drei von ihnen, sondern
einen ganzen Orden. Ähnlich den Sophoras, jedoch ohne die Macht eines Orakels
zu besitzen oder als Dienerinnen an den Ritualen teilzunehmen. Für Rituale
blieb in der Welt der Tri’Ora keine Zeit. Sie mussten ihre Augen und Ohren
offen halten, bereit dort zu helfen, wo sie gebraucht wurden. Wenn sie kamen,
dann brachten sie entweder das Leben oder den Tod mit sich.
Die drei Mächtigsten, die mit dem reinsten und stärksten Blut, waren ihre
Anführerinnen. Wendy war eine von ihnen, aber sie ging weder mit ihrem Status
noch mit ihrem Titel hausieren. Sie war auch nicht hier, um ihre Schwestern zu
repräsentieren, sondern aus ganz privaten Gründen. Gründe, die zu empfinden ihr
eigentlich verboten waren, da ihre Hilfe gerade in diesem Augenblick irgendwo
gebraucht werden, durch ihr Hiersein aber nicht in Anspruch genommen werden
konnte.
Doch vielleicht wurde ihre Hilfe ja auch hier benötigt. Jetzt in diesem
Augenblick. Was war, wenn sie ganz unbewusst einem Ruf gefolgt war, den noch
niemand hatte erahnen können? Wendy legte ihre Hände flach auf das Türblatt und
konzentrierte sich.
Ganz plötzlich zuckte sie zurück, als hätte sie einen Schlag bekommen. Bunter
Schlieren glitten über ihre ohnehin schon in allen Farben schimmernden Augen,
die vor Überraschung und Entsetzen groß geworden waren. Sie hatte nicht gesehen,
was genau darin vor sich ging, aber die Macht, die ihr gerade entgegen
geflossen war, als sie ihre mentalen Fühler in den Raum gestreckt hatte, war
ihr schlichtweg durch und durch gegangen.
„Was tust du da?“
Wendy zuckte erneut, diesmal ertappt, zusammen, drehte sich aber höchst
gelassen und wieder mit diesem unbeeindruckten Gesicht zu Bekky herum, die
misstrauisch auf sie zukam und diesmal keinerlei Anflug von Scheu oder Mitleid
mit ihrem Gesicht an den Tag legte. Ganz im Gegenteil. Vorhin hatte
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