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Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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entladen, der Himmel wie die Ermittlung. Und dann war da noch eine Frau, deren Brust ich von der Stelle weg hätte verschlingen mögen. Du machst dir keine Vorstellung. Ich habe das Gefühl, ich hätte es tun sollen, ich habe das Gefühl, dass ich irgendwas nicht zu Ende gebracht habe.«
    »Juckt’s dich?«
    »Ja, darum wollte ich dir auch davon erzählen. Es juckt mich nicht auf dem Arm, es nervt mich im Kopf. Wie eine Tür, die ständig klappt, eine Tür, die ich nicht geschlossen habe.«
    »Dann,
hombre
, musst du noch mal dahin zurück. Sonst klappt sie dein Leben lang. Du kennst das Prinzip.«
    »Die Ermittlung ist abgeschlossen, Lucio. Ich habe dort nichts mehr zu tun. Vielleicht kommt es auch daher, dass ich nicht gesehen habe, wie die Kühe sich bewegen. In den Pyrenäen, ja. Aber dort, nichts zu machen.«
    »Kannst du nicht die Frau haben? Ich meine, statt die Kühe zu beobachten?«
    »Ich will sie ja nicht haben, Lucio.«
    »Ah.«
    Lucio trank die Hälfte seiner Flasche, schluckte geräuschvoll, rülpste und dachte über den schwierigen Fall nach, den Adamsberg ihm da vorlegte. Er war außerordentlich sensibel für Dinge, die man nicht zu Ende gekratzt hat. Das war sein Gebiet, seine Spezialität.
    »Wenn du an sie denkst, denkst du da an was Essbares?«
    »An einen Gugelhupf mit Mandeln und Honig.«
    »Was ist das?«
    »Eine besondere Art von Brioche.«
    »Das ist was Genaues«, sagte Lucio mit Kennermiene. »Und Spinnenbisse sind immer genau. Du solltest dich nach so einem Gugelhupf umsehen. Der könnte dein Problem beheben.«
    »Ich werde in Paris keinen echten finden. Das ist eine Spezialität des Ostens.«
    »Ich kann Maria bitten, dass sie dir einen bäckt. Es wird ja wohl Rezepte dafür geben, oder?«

49
    Zur Auswertung der zurückliegenden Ereignisse trat die Brigade am Sonntag, einem 15. August, um 9 Uhr 30 zusammen, anwesend waren vierzehn Mitarbeiter. Adamsberg hatte Retancourt mit Ungeduld erwartet und als Zeichen seiner Dankbarkeit und Bewunderung in rauer, etwas militärischer Herzlichkeit ihre Schulter umfasst, eine Geste, die Émeri gefallen hätte. Eine Art Ritterschlag zur Begrüßung des tapfersten seiner Soldaten. Retancourt, die all ihren Scharfsinn verlor, wenn man sie mit Emotionen konfrontierte, hatte den Kopf geschüttelt wie ein verlegenes und störrisches Kind und sich ihre Genugtuung für später, das heißt für sich allein aufgehoben.
    Die Beamten hatten sich im Kreis um den großen Tisch gesetzt, Mercadet und Mordent führten Protokoll. Adamsberg mochte diese großen Versammlungen nicht sehr, bei denen er resümieren, erklären, Weisungen erteilen und Schlussfolgerungen ziehen musste. Seine Aufmerksamkeit sackte beim geringsten Anlass weg, entzog sich den Erfordernissen des Augenblicks, so dass Danglard sich immer neben ihn setzte, um ihn notfalls in die Wirklichkeit zurückzuholen. Aber Danglard war zur Stunde in Porto mit Momo-mèche-courte, nachdem er Zerk Richtung Rom auf den Weg gebracht hatte, und bereitete vermutlich seine Rückkehr nach Paris vor. Adamsberg rechnete gegen Abend mit ihm. Der Wahrscheinlichkeit halber würde man noch einige Tage warten, dann würde der Pseudodenunziant die Brigade verständigen. Mo würde den Händen des Kommissars wie eine Trophäe übergeben werden. Adamsberg gingin Gedanken noch einmal seine Rolle dabei durch, während Lieutenant Froissy über die Fälle der letzten Tage berichtete, unter anderem eine blutige Auseinandersetzung zwischen zwei Kollegen einer Versicherungsgesellschaft, von denen der eine den anderen als »mondsüchtige Schwuchtel« tituliert hatte, worauf der ihm mit einem Papiermesser die Milz aufgeschlitzt hatte, der Mann war gerade noch gerettet worden.
    »Und offenbar«, fügte Justin mit gewohnter Akribie hinzu, »war nicht die ›Schwuchtel‹ der Streitpunkt, sondern das ›mondsüchtig‹.«
    »Was ist denn eine ›mondsüchtige Schwuchtel‹?«, wollte Adamsberg wissen.
    »Das weiß keiner, nicht mal der, der es gesagt hat. Wir haben nachgefragt.«
    »Gut«, sagte Adamsberg, der auf dem Block, den er auf den Knien hielt, zu zeichnen begann. »Und das kleine Mädchen mit der Rennmaus?«
    »Das Gericht hat sein Einverständnis damit erklärt, dass das Kind von einer in der Vendée lebenden Halbschwester aufgenommen wird. Der Richter hat eine psychiatrische Betreuung der Kleinen angeordnet. Die Halbschwester ist bereit, auch die Rennmaus aufzunehmen. Die gleichfalls ein Mädchen ist, hat der Arzt

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