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Die Nacht Hat Viele Augen -1-

Die Nacht Hat Viele Augen -1-

Titel: Die Nacht Hat Viele Augen -1- Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Mckenna
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Wahrheit zu stellen«, sagte er. Er legte den Koffer auf den Tisch. »Sieh dir das an, es ist mein neuestes Stück. Mich würde interessieren, welche Reaktion es bei dir auslöst. Es ist nicht antik oder schön oder selten wie die anderen.«
    »Warum besitzt du es dann?«, wollte sie wissen.
    »Ich habe es nicht für mich selbst beschafft. Es ist für einen Kunden von mir.«
    Raine schob die Hände in ihre Taschen. »Und die Geschichte dazu?«
    Er klappte den Deckel des kleinen Koffers auf und winkte sie näher heran. »Sag du es mir. Versuch, deinen Kopf zu leeren, und dann sag mir, was dir dazu einfällt.«
    Sie trat näher heran, doch ihr Gesichtsausdruck war verkniffen und ängstlich. »Bitte beobachte mich nicht so genau«, sagte sie. »Das macht mich nervös.«
    »Entschuldige bitte.« Er trat einen Schritt zurück.
    Raine legte ihre Hände zu beiden Seiten der Waffe auf den Tisch. »Sie fühlt sich anders an als der Degen.«
    »Der … der Makel ist sehr frisch«, stimmte er zu.
    Ihre Augen wirkten blind und groß, als würde sie weit über die Waffe hinausblicken. Und genau das tat sie. Er spürte einen Stich des Mitgefühls. So viel brach auf einmal über ihr zusammen. Aber sie musste sich alldem stellen.
    »Eine Frau, ermordet«, flüsterte sie. »Von einem Menschen … nein. Einem Ding. Einem Ding, das innerlich so tot ist, dass man es nicht mehr als menschlich bezeichnen kann. Gott!«
    Sie sank zusammen und würgte, als müsste sie sich übergeben. Ihr Haar fiel über den Koffer. Sie zitterte heftig.
    Erschrocken führte er sie zu einem Stuhl, damit sie sich hinsetzte. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen, und ihre Schultern bebten so heftig, dass es aussah, als würde sie weinen, aber sie gab keinen Laut von sich. Er nahm ein Glas und goss ihr einen Cognac ein, der im Regal stand. »Katya. Es tut mir leid. Geht es dir besser?«
    Sie richtete sich etwas auf. Er drückte ihr das Glas in die Hand, und sie hielt es fest, so steif wie eine Puppe. »Was ist das für ein Ding, Victor?«
    Er war bestürzt von ihrem harten Ton, von der Direktheit ihrer Frage. »Es ist Teil eines Spiels, das ich spiele«, erwiderte er und hatte das Gefühl, sich verteidigen zu müssen. »Es ist eine gestohlene Mordwaffe. Es tut mir leid, meine Liebe. Ich wollte dich nicht aufregen. Ich habe sie dir gezeigt, um zu sehen, ob du spürst …« Er hielt inne.
    »Ob ich was spüre?« Sie stellte den Cognac hin.
    »Den Makel«, sagte er.
    Ihre Augen wirkten sehr viel älter. »Ich habe ihn gespürt«, sagte sie mit leiser Stimme. »Und ich hoffe bei Gott, dass ich niemals wieder etwas Ähnliches fühlen werde.«
    Ein Anflug von Reue streifte ihn. »Ich hatte keine Ahnung, dass du so sensibel bist. Ich versichere dir, ich …«
    »Dein Spiel ist das nicht wert. Was immer es ist.«
    »Wie meinst du das?«, wollte er wissen.
    »Das Ding ist voller Gift.« Ihre Stimme klang äußerst entschieden.
    Es überraschte Victor, wie unbehaglich er sich bei ihren Worten fühlte. »Aristokraten haben sich in allen Jahrhunderten mit kleinen Dosen Gift gegen all das immunisiert, was ihre Feinde ihnen vielleicht verabreichen würden. So ist es auch bei mir, meine Liebe. Ich bin immun.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Du bist nicht so immun, wie du denkst. Und wenn du tatsächlich daran gewöhnt bist, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, dann stell dich folgender, Victor. Du solltest dieses Ding nicht in deinem Besitz haben. Was immer du getan hast, um es zu bekommen, es war falsch. Was immer du damit vorhast, ist ebenfalls falsch.«
    Er war so verblüfft über ihre Unverfrorenheit, dass er einem Moment brauchte, um seine Stimme wiederzufinden. Ihr selbstgerechter Ton machte ihn wütend.
    »Und woher kommt dieses Talent, so moralisch daherzureden?«, spottete er. »Nicht von mir. Und ganz bestimmt nicht von Alix.«
    »Vielleicht ausschließlich von mir«, erwiderte sie. »Vielleicht hab ich das ganz allein entwickelt, ohne jede Hilfe von irgendeinem von euch.«
    »Oh. Der Engel der Gerechtigkeit erhebt sich über die Jauchegrube seiner eigenen Vergangenheit, über die Sünden seiner lügenden, stehlenden, Unzucht treibenden Vorfahren.«
    »Hör auf, Victor.«
    Er schloss den kleinen Koffer und legte ihn zurück in die Schublade. Seine Hände zitterten vor Wut. Seit Jahren war er nicht mehr so außer sich gewesen, nicht seitdem Peter …
    Nein. Er wollte nicht an Peter denken.
    Er knallte die Schublade zu. »Ich denke, das sind genug erschreckende

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