Die Nacht mit dem Wuestenprinzen
Verfolgungswahn? War er vielleicht verrückt? Hastig sagte sie: „Lösch die Bilder doch einfach. Ich hätte es längst tun sollen, aber ich habe es vergessen. Genau wie ich vergessen hatte, Renate das Handy zurückzugeben.“
„Wie außerordentlich praktisch.“
Tiffany mochte die Art, wie er das sagte, ganz und gar nicht.
„Da du nicht geantwortet hast, hat dir deine Freundin noch eine SMS geschickt, in der sie dir vorwirft, das Handy gestohlen zu haben.“ Er lächelte kalt. „Sie meint, du würdest die Bilder jetzt allein verkaufen wollen.“
„Unsinn. So was würde ich niemals tun!“
Er lachte spöttisch. „Was würdest du niemals tun? Die Bilder verkaufen oder das Handy klauen? Diebe haben keine Ehre.“
Sie hatte nur eine vage Ahnung, worauf er hinauswollte. Unsicher blickte sie zu ihm auf. „Sag einfach, was du denkst.“
„Du und deine Freundin – ihr wolltet Sir Julian und mich erpressen. Jetzt geht Renate davon aus, dass du den Job allein machen willst. Und ich glaube, sie hat recht.“
„Erpressung?“
Rafiq musste wirklich verrückt geworden sein. Tiffany maß die Entfernung bis zur Tür. Vielleicht war jetzt der Moment gekommen, zu fliehen. Wenn sie sich in die dünne Decke wickelte, wäre sie zumindest nicht mehr nackt.
„Du gehst nirgendwo hin“, sagte er bestimmt, setzte sich neben Tiffany aufs Bett und stützte beide Arme links und rechts von ihr auf. Sie war gefangen.
„Ich weiß“, erwiderte sie kleinlaut und schaute Hilfe suchend zu ihm auf.
„Das zieht nicht mehr“, entgegnete er knapp. „Ich weiß, dass du kein Unschuldslämmchen bist.“
Wenn der wüsste, dachte Tiffany bitter.
Als sie schwieg, fuhr er fort: „Was hattet ihr mit den Fotos vor?“
„Nichts.“
Er schüttelte den Kopf. „Verkauf mich nicht für dumm. Deine Freundin war so begierig darauf, zu erfahren, ob du das Handy und die Fotos noch hast, weil sie einen Käufer für die Bilder hat. Du hast mit ihr gemeinsame Sache gemacht.“
Tiffany bekam es mit der Angst zu tun. Sie fühlte sich völlig wehrlos, nackt unter der dünnen Decke. Rafiqs körperliche Präsenz wirkte bedrohlich. „Geh weg!“, rief sie unsicher.
Er rührte sich nicht. „Ich werde die Fotos jetzt vernichten. Dann kaufe ich dir das Flugticket, das du mir gestern abschwatzen wolltest. Und dann will ich dich nie wiedersehen, verstanden?“
Tiffany nickte.
Rafiq richtete sich auf, und endlich konnte sie wieder durchatmen.
„Allerdings werde ich dir kein Geld geben. Ich fahre mit dir zum Flughafen und bezahle das Ticket am Schalter. Daher hoffe ich, dass du wirklich vorhattest, nach Auckland zu fliegen.“
„Hatte ich“, sagte sie leise.
Rafiq stand auf. „Ich warte unten in der Lobby auf dich. Mach dich fertig.“
Als er ihr nicht mehr so nah war, gelang es ihr wieder, einen klaren Gedanken zu fassen. „Ich kann aber noch nicht fliegen. Mein vorläufiger Pass ist erst am Montag abholbereit. Solange bleibe ich noch in der Jugendherberge. Ruf mir ein Taxi.“
„Ich will aber, dass du Hongkong sofort verlässt.“
„Glaub mir, ich bleibe keine Minute länger, als ich muss. Und du kannst sicher sein, dass ich dir keinen Ärger mache. Ich verspreche es.“
„Gnade dir Gott, wenn es anders kommt“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Ich bin der harmloseste Mensch unter Gottes Sonne. Außerdem werde ich dir das Geld zurückzahlen“, fügte sie entschlossen hinzu.
Er winkte ab. „Bitte, nicht noch mehr Lügen.“
„Das ist keine Lüge. Ich werde es dir zurückzahlen. Dafür brauche ich deine Kontoverbindung.“
„Um mich dann richtig abzuzocken?“ Er lachte laut und sah sie durchdringend an, doch sie wich seinem Blick nicht aus. Sofort änderte sich die Stimmung. Das bekannte Prickeln war wieder da, jene elektrisierende Spannung zwischen ihnen, die heiß durch ihre Körper flutete.
Ohne seinen Blick von Tiffany zu lösen, holte Rafiq eine kleine weiße Karte aus seiner Geldbörse. „Hier sind meine Daten. Schick mir einen Scheck, aber komm mir nie wieder unter die Augen.“
Das tat weh. Tiffany verspürte das Bedürfnis, sich zu rächen. „Ich habe auch nicht vor, dich jemals wiederzusehen. Das, was ich erlebt habe, hat mir fürs Leben gereicht.“
Als er auf dem Absatz kehrtmachte und mit langen Schritten zur Tür ging, sah sie ihm nach, Tränen in den Augen. Um sich abzulenken, blickte sie auf die Visitenkarte, die er ihr gegeben hatte.
Rafiq Al Dhahara. Präsident. Royal Bank of
Weitere Kostenlose Bücher