Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht von Granada

Die Nacht von Granada

Titel: Die Nacht von Granada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
hatte, versetzte ihr einen kräftigen Schlag ins Gesicht. Seine Miene wirkte höhnisch und kalt. »Ich mache keine leeren Drohungen. Zwing mich nicht, es dir zu beweisen!«
    »Lasst sie sofort los!« Rashids Stimme drang nur mühsam durch den dichten Nebel aus Furcht und Schmerz, der sie umgab. »Ich kenne sie. Unsere Familien sind befreundet.«
    » Das sind deine Freunde?« Der Kräftige spuckte angeekelt aus. »Wie sollen wir dich schützen, Junge, wenn du solchen Umgang pflegst?«
    Rashid schien ihn gar nicht zu hören, griff behutsam nach Lucias Handgelenken und zog sie ein Stück zur Seite.
    »Was machst du nur, Lucia?«, sagte er kopfschüttelnd, und aus seinem Mund klang ihr Name so weich, dass alle Angst sofort verflog. »Einfach hier aufzutauchen! Du hast dich in große Gefahr gebracht. Weißt du das?«
    »Und wenn schon! Ich musste doch wissen, wo du bist.«
    Sein dunkles, rätselhaftes Lächeln, das sie jedes Mal halb um den Verstand brachte! Doch es verschwand ebenso schnell, wie es gekommen war.
    »Ich bin noch aus einem anderen Grund hier«, setzte Lucia hastig hinzu. »Deine Mutter weint sich die Augen aus. Und Nuri kann nicht mehr schlafen. Dein Vater ist außer sich. Was tust du uns allen an? Bedeuten wir dir denn so wenig?«
    Sie war zu weit gegangen. Ein Schatten flog über sein Gesicht; er presste die Lippen fest aufeinander. Rashid schaute sich nach den Männern um, die neben der Tür standen und sie keinen Augenblick aus den Augen ließen.
    »Besondere Zeiten verlangen besondere Maßnahmen«, sagte er laut. »Du hättest niemals herkommen dürfen.«
    Von der Tür kam zustimmendes Grunzen. Die Männer standen noch immer da und glotzten sie an.
    Lucia schüttelte sich unwillkürlich. »Aber wir müssen reden«, stieß sie hervor.
    »Es gibt nichts zu reden.« Jetzt schrie Rashid beinahe. »Geh nach Hause und lass mich in Frieden! Und kein Wort zu irgendjemandem, sonst wirst du es bitter bereuen.«
    Entsetzt starrte Lucia ihn an. Doch was taten seine Lippen? Bildeten unhörbare Worte!
    Am Fluss, las sie. Geh zur Schänke. Bei Sonnenuntergang. Warte dort auf mich!
    Hatte sie das alles nur geträumt?
    Als Rashid sich umdrehte und steifbeinig im Haus verschwand, überkam sie ein Frösteln. Es legte sich erst, als sie sich auf den Heimweg machte, langsam und zögerlich zunächst, weil sie immer wieder überlegen musste, welche Richtung sie einschlagen sollte. Doch nach und nach wurde sie sicherer.
    Und als Lucia schließlich wieder in der heimischen Gasse angelangt war, glühte sie von Kopf bis Fuß wie im Fieber.
    Kamal hatte sich den Arbeitsstaub der Spätschicht abgewaschen und wollte sich gerade mit seiner Familie zum Essen setzen, als sie plötzlich im Innenhof von einem bewaffneten Söldnertrupp umringt waren. Luceros Rotkappen war es offenbar ein Leichtes gewesen, ungehindert ins Haus einzudringen.
    »Name?«, rief einer von ihnen gebieterisch in gebrochenem Kastilisch.
    »Kamal bin Nabil«, erwiderte Kamal. »Was wollt ihr?«
    Der Söldner deutete auf Saida, die sich gerade noch erschrocken den Schleier vor das Gesicht gezogen hatte.
    »Frau?«, krähte er.
    »Ja, das ist meine Ehefrau«, sagte Kamal. Innerlich musste er sich mühsam ermahnen, ruhig zu bleiben. »Wer gibt euch das Recht, in mein Haus einzudringen?«
    Ein hässliches Lächeln.
    »Du Christ – Kirche jedes Recht!« Die Augen des Söldners glitten zu Nuri, die sich ängstlich in eine Ecke drückte. »Mädchen?«, sagte er. »Schöne Mädchen!«
    »Meine Tochter.« Kamal griff nach Nuris Hand und zog sie sanft zu sich.
    »Mehr Kinder?« Die ungehobelte Befragung war offenbar noch nicht zu Ende.
    »Mein Sohn ist tot«, rief Saida und begann bitterlich zu weinen. »Tot, versteht ihr? Tot!«
    Für einen Moment schien der Söldner verwirrt, dann jedoch wurde sein breites rotes Gesicht wieder glatt.
    »Ihr alle Christen«, sagte er. »Sonntag. San Nicolás.« Seine Hand fuhr zum Hals und vollführte eine Bewegung, als würde die Kehle durchgeschnitten. »Sonst alle tot.«
    Auch nachdem die Rotkappen mit ihren schweren Stiefeln hinausgetrampelt waren, brachte zunächst keiner der drei Anwesenden ein Wort heraus. Saida weinte stumm vor sich hin, Kamal starrte blicklos zu Boden.
    Schließlich schlug seine Tochter mit der Faust gegen die Wand.
    »Musste ich das so erfahren?« Nuris Stimme bebte vor Zorn. »Sie haben dich zum Christen gemacht – und ich weiß nichts davon! Wann wolltest du es mir mitteilen, Papa? Am Sonntag, wenn sie auch

Weitere Kostenlose Bücher