Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Nadel.

Titel: Die Nadel. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follettl
Vom Netzwerk:
Inspiration allein keinen Hinweis auf die Mittel und Wege bot. Er erinnerte
     sich an seine Dissertation über die Reisen eines fast unbekannten mittelalterlichen
     Mönches namens Thomas of the Tree . Godliman hatte sich die nicht allzu wichtige,
     aber schwierige Aufgabe gestellt, den Reiseweg des Mönches über einen Zeitraum von fünf
     Jahren nachzuzeichnen. Es hatte eine rätselhafte Lücke von acht Monaten gegeben, in denen
     er entweder in Paris oder Canterbury gewesen war. Godliman konnte den Aufenthaltsort nicht
     näher bestimmen, wodurch der Wert der ganzen Arbeit gefährdet war. Die Dokumente, die er
     benutzte, schwiegen sich darüber aus. Wenn nicht irgendwo schriftlich niedergelegt war, wo
     der Mönch sich aufgehalten hatte, gab es keine Möglichkeit, ihm auf die Spur zu kommen
     – damit mußte man sich abfinden. In seinem jugendlichen Optimismus hatte Godliman sich
     jedoch geweigert zu glauben, daß es nicht doch einen Hinweis gab. Er war von der
     Voraussetzung ausgegangen, daß irgendwo verzeichnet war, wie Thomas diese Monate
     verbracht hatte – trotz der bekannten Tatsache, daß fast alles, was im Mittelalter
     geschah, nicht dokumentiert ist. Wenn Thomas weder in Paris noch in Canterbury gewesen war,
     mußte er sich auf der Überfahrt zwischen den beiden befunden haben – so hatte Godliman
     geschlossen. Dann hatte er Dokumente in einem Amsterdamer Museum gefunden, aus denen
     hervorging, daß Thomas sich nach Dover eingeschifft hatte; das Boot war vom Kurs
     abgekommen und schließlich an der irischen Küste gestrandet. Diese Art beispielhafter
     historischer Forschung hatte Godliman schließlich seine Professur eingebracht.
    Er
     könnte versuchen, mit dieser Denkweise an Fabers rätselhaftes Verschwinden
     heranzugehen.
    Vermutung Nummer eins: Faber war ertrunken. VermutungNummer zwei: Er hatte inzwischen deutsches Hoheitsgebiet erreicht. Weil
     Godliman nichts mehr tun konnte, falls eine dieser beiden Möglichkeiten zutraf, brauchte
     er auch nicht länger über sie nachzudenken. Er mußte davon ausgehen, daß Faber noch
     lebte und irgendwo an Land gegangen war.
    Er verließ sein Büro und stieg die Treppe
     zum Kartenraum hinunter. Dort stand sein Onkel, Colonel Terry, eine Zigarette zwischen den
     Lippen, nachdenklich vor einer Europakarte. In diesen Tagen war dies ein vertrauter Anblick
     im Kriegsministerium: Männer von hohem Rang, die in Karten versunken waren und schweigend
     ihre eigenen Berechnungen darüber anstellten, ob man den Krieg gewinnen oder verlieren
     werde. Sie konnten das jetzt tun, weil die Pläne alle fertig auf dem Tisch lagen und die
     riesige Kriegsmaschinerie in Bewegung gesetzt worden war. Diejenigen, welche die großen
     Entscheidungen trafen, mußten jetzt abwarten, ob sie recht gehabt hatten.
    Terry sah
     Godliman kommen und fragte: »Wie hast du den großen Mann angetroffen?«
    »Er trank
     Whisky«, sagte Godliman.
    »Er trinkt den ganzen Tag, aber es scheint ihm nichts
     auszumachen. Was hat er gesagt?«
    »Er möchte, daß wir ihm den Kopf der Nadel auf
     einem Tablett überbringen.« Godliman ging zur Landkarte, die an der gegenüberliegenden
     Wand hing, und legte einen Finger auf Aberdeen. »Wenn du ein U-Boot aussenden müßtest,
     um einen Spion abzuholen, wie nahe könnte es deiner Meinung nach an die Küste
     herankommen, ohne sich zu gefährden?«
    Terry stellte sich neben ihn und betrachtete
     die Karte. »Es müßte außerhalb der Drei-Meilen-Zone bleiben. Wahrscheinlich würde
     ich sogar Anweisung geben, daß das Boot zehn Meilen vor der Küste stoppt.«
    »Richtig.« Godliman zog mit einem Bleistift zwei Linien, die parallel zur Küste
     verliefen – die eine im Abstand von drei, die andere im Abstand von zehn Meilen. »Und
     wenn du ein Hobbysegler wärest, der von Aberdeen aus in einem kleinen Fischerbootin See sticht, wie weit würdest du hinausfahren, bevor du nervös
     wirst?«
    »Du meinst: Wie weit kommt man vernünftigerweise mit so einem Boot?«
    »Genau.«
    Terry zuckte die Schultern. »Frag die Navy. Ich würde sagen,
     fünfzehn oder zwanzig Meilen.«
    »Einverstanden.« Godliman schlug einen Kreis mit
     einem Radius von zwanzig Meilen um Aberdeen herum. »Sollte Faber noch am Leben sein, ist
     er also entweder wieder auf dem Festland oder irgendwo in dieser Gegend.« Er zeigte auf
     das Gebiet, das von den parallelen Linien und dem Bogen eingegrenzt wurde.
    »Dort
     gibt’s kein Land.«
    »Haben wir eine größere

Weitere Kostenlose Bücher