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Die Nadel.

Titel: Die Nadel. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follettl
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Unglück begann es jetzt auch noch zu regnen: ein kalter, stetiger Sprühregen, der
     seine Kleidung durchnäßte und auf seiner Haut zu Eis zu werden schien. Jetzt hatte er
     noch einen Grund, den Zug bald zu verlassen; denn er könnte erfrieren, bevor Glasgow
     erreicht war!
    Als der Zug eine halbe Stunde mit hoher Geschwindigkeit dahingefahren
     war, spielte er mit dem Gedanken, den Heizer und den Lokomotivführer zu töten, um selbst
     den Zug anzuhalten. Ein Stellwerk rettete ihnen das Leben. Der Zug wurde plötzlich
     langsamer, als die Bremsen anzogen. Er verringerte das Tempo etappenweise. Faber nahm an,
     daß dieser Abschnitt der Bahnlinie entsprechend ausgeschildert war. Er blickte hinaus. Sie
     waren wieder auf offener Strecke und näherten sich einem Knotenpunkt, dessen Signale auf
     »Halt« standen. Deswegen also.
    Faber blieb im Tender, während der Zug
     stillstand. Nach fünf Minuten ruckte er wieder an. Faber zog sich an der Seitenwand des
     Tenders hoch, balancierte einen Moment lang auf der Kante und sprang ab.
    Er landete
     auf dem Bahndamm und endete mit dem Gesicht nach unten in üppig wucherndem Unkraut. Als
     der Zug außer Hörweite war, stand er auf. Das einzige Anzeichen von Zivilisation in der
     näheren Umgebung war das Stellwerk, ein zweigeschossiges Holzgebäude mit großen Fenstern
     im oben gelegenen Dienstraum, einer Treppe an der Außenseite und einer Tür im
     Erdgeschoß. Auf der anderen Seite führte ein Schotterpfad von dem Haus weg.
    Faber
     schlug einen großen Bogen um das Gebäude, um sich ihm von hinten zu nähern, wo es keine
     Fenster gab. Er tratdurch eine Tür im Erdgeschoß und fand, was er
     erwartet hatte: eine Toilette, ein Waschbecken und einen Mantel, der an einem Haken
     hing.
    Er zog seine nasse Kleidung aus, wusch sich Hände und Gesicht und rieb sich
     kräftig am ganzen Körper mit einem schmierigen Handtuch ab. Die kleine zylindrische Dose
     mit den Negativen war immer noch fest mit Pflaster an seine Brust geklebt. Er zog seine
     Kleidung wieder an, tauschte aber seine eigene, völlig durchnäßte Jacke gegen den Mantel
     des Eisenbahners.
    Nun brauchte er nur noch ein Fahrzeug. Der Mann im Stellwerk
     mußte ja auch irgendwie hierhergekommen sein. Faber ging hinaus und fand ein Fahrrad, das
     mit einem Vorhängeschloß an einem Geländer hinter dem Haus festgemacht war. Er sprengte
     das kleine Schloß mit der Klinge seines Stiletts. Dann ging er geraden Wegs von der
     fensterlosen Rückseite des Gebäudes fort und schob das Fahrrad, bis er außer Sichtweite
     war. Er ging weiter, querfeldein, bis er den Schotterpfad erreicht hatte, stieg auf und
     radelte davon.

DRITTER TEIL – KAPITEL 16
    ercival Godliman hatte
     sich ein kleines Feldbett von zu Hause mitgebracht. Er hatte sich, mit Hose und Hemd
     bekleidet, in seinem Büro darauf ausgestreckt und versuchte vergeblich zu schlafen. Seit
     beinahe vierzig Jahren, als er seine Examina an der Universität gemacht hatte, war ihm das
     nicht mehr passiert. Er hätte die Ängste jener Tage gern gegen die Sorgen getauscht, die
     ihn nun wachhielten.
    Er wußte, daß er damals ein ganz anderer Mensch gewesen war
     – nicht nur jünger, sondern auch viel weniger . . . zerstreut. Er war gesellig,
     zupackend und ehrgeizig gewesen und hatte vorgehabt, in die Politik zu gehen. Sein
     Studieneifer hatte sich damals in Grenzen gehalten, weshalb er auch wirklich Grund gehabt
     hatte, sich vor den Prüfungen zu fürchten.
    Seine beiden großen Hobbys in jenen
     Tagen hatten schlecht zueinander gepaßt: Debattieren und Gesellschaftstanz. Er hatte sich
     in der Oxford Union ausgezeichnet und war in The Tatler beim Walzer mit
     Debütantinnen abgebildet worden. Ein großer Schürzenjäger war er nicht gewesen. Er
     wollte nur mit einer Frau intim werden, die er liebte – nicht, weil er an irgendwelche
     hehren Prinzipien glaubte, sondern weil er eben so war.
    Er hatte keine sexuellen
     Erfahrungen gehabt, ehe er Eleanor traf, die keine von den Debütantinnen war, sondern eine
     brillante Mathematikerin, die Anmut und Wärme besaß und einen Vater, der vierzig Jahre
     lang unter Tage gearbeitet hatte und an einer Staublunge zugrunde ging. Der junge Percival
     hatte sie seiner Familie vorgestellt. Sein Vater war Lord Lieutenant der Grafschaft
     gewesen, und das Haus war Eleanor wie ein Schloß vorgekommen, aber sie hatte sich
     natürlich und charmant und nicht im geringsten eingeschüchtert gegeben. Als Percys Mutter
    

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