Die nächste Begegnung
einer daneben liegenden Kammer kleine, etwa zwei Zentimeter große Kügelchen. Am Schnittpunkt der zwei Laufbänder senkte sich eine große, in einem an der hohen Decke befestigten Gehäuse untergebrachte kantige Maschine mit einem saugenden Schmatzgeräusch zu den Einzelteilen nieder. Eine halbe Minute später ließ der Myrmi-Maschinist die Maschine wieder nach oben' schweben, und zwei Leggies krabbelten vom Fließband, klappten die langen Beine eng um sich und hüpften in Position in einen Behälter, der wie ein überdimensionaler Eierkarton aussah.
Richard sah dem Produktionsablauf eine ganze Weile zu. Er faszinierte ihn. Also so ist das: Die Myrmikatzen — produzieren die Leggies ... und die Karten ... und möglicherweise sogar noch die Raumschiffe, dort, wo sie und die Avianer herkommen ... Also was haben wir da ? Eine Art fortschrittlicher Symbiose?
Kopfschüttelnd sah er, wie der Montageprozess der Leggies weiterging. Aber Sekunden später hörte er hinter sich einen typischen Myrmikatzenlaut. Er drehte sich um, und da stand einer seiner Führer und hielt ihm einen Mannamelonen- schnitz entgegen.
Allmählich merkte Richard, dass er sehr erschöpft war. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie lange er durch diese Besichtigungstour geschleift worden war, doch er hatte das schiere körperliche Gefühl, dass es viele, viele Stunden gewesen sein mussten.
Unmöglich, alles, was er gesehen hatte, zu synthetisieren. Nach einer Fahrt in einem engen Aufzug in die oberen Regionen des Habitats hatte er nicht nur das von Myrmikatzen betreute und verwaltete Avianer-Krankenhaus besichtigt, sondern auch zusehen dürfen, wie unter den wachsamen Augen myrmikätzischer Ärzte die Avianer-Küken aus bräunlichen, lederhäutigen Eiern schlüpften. Und da begriff Richard nun wirklich, dass zwischen den zwei Arten eine komplexe Symbiosebeziehung bestand. Aber warum ?, überlegte er, als seine Führer ihm an der Spitze der Rolltreppen eine kurze Pause gönnten. Die Avianer profitieren eindeutig von den Myrmikatzen ... Aber, verdammt, was kriegen diese riesigen, emsigen ameisenhaften Katzen von ihren Mitsymbionten, den Avianern?
Seine Führer geleiteten ihn durch einen breiten Gang auf eine große, mehrere Hundert Meter entfernte Tür zu. Diesmal bewegten sie sich ausnahmsweise einmal nicht im Eiltempo. Als sie sich der Pforte, dem Portal (oder was immer) näherten, kamen aus den Seitengängen drei weitere Myrmikatzen auf sie zu, und es begann eine lebhafte Diskussion in ihrer Hochfrequenz-Sprachkommunikation. Dann blieben alle fünf plötzlich stehen, und Richard stellte sich vor, dass es jetzt um irgendwas Strittiges ging. Er beobachtete sie aufmerksam, besonders ihre Gesichter. Aber sogar die Fältchen und Runzeln um die tonproduzierenden Öffnungen und die ovale Augenformation war bei allen fünf Geschöpfen identisch. Er entdeckte einfach keine Möglichkeit, einen Myrmi von einem anderen zu unterscheiden.
Schließlich setzte sich die Gruppe wieder auf die Tür zu in Bewegung. Richard hatte aus der Entfernung die Maße unterschätzt. Jetzt, bei der Annäherung, erkannte er, dass sie ein mindestens zwölf bis fünfzehn Meter hohes Tor war und wenigstens drei Meter breit. Die Front wies elegante, wundervoll geformte Reliefs auf, in deren Mitte eine rechteckige, aus vier Paneelen bestehende Kassette prangte: oben links im Quadranten ein Avianer im Flug, oben rechts eine Mannamelone, links unten eine laufende Myrmikatze, und rechts etwas, das aussah wie Zuckerwatte mit groben unregelmäßigen Klumpen.
Richard blieb stehen, um das Kunstwerk zu betrachten. Zunächst überflog ihn eine Ahnung, als hätte er dieses Tor früher schon einmal gesehen oder doch wenigstens eine Zeichnung davon. Aber er sagte sich, dass dies kaum möglich sein konnte. Aber als er dann behutsam mit den Fingern über die Gestalt der Myrmikatze glitt, erwachte seine Erinnerung plötzlich zum Leben. Aber ja! Natürlich! Am Ende der Avianerhöhle in RAMA-II ... Und dort war das Feuer .. .
Dann ging die riesige Tür auf, und Richard wurde in einen Raum geführt, der wie eine riesenhafte unterirdische Kathedrale wirkte. Der Raum war gewiss höher als fünfzig Meter. Die Grundfläche bildete ein etwa dreißig Meter weiter Kreis, von dem aus sechs symmetrisch angeordnete Seitenschiffe abgingen. Der Eindruck, den die Wände machten, war überwältigend. Nahezu jeder Quadratzoll war mit Skulpturen oder Freskosupporten geschmückt, die mit peinlichster Detailtreue
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