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Die Nächte der Aphrodite

Die Nächte der Aphrodite

Titel: Die Nächte der Aphrodite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Charon
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Dunklerem durchsetzt. »Und ich bin kein Narr.« Der schläfrige, blasierte Ausdruck wich schlagartig einem inständigen Flehen. »Nehmt mich mit, Henri. Versailles schert mich nicht so viel.« Er schnippte mit den Fingern. »Ich will bei Euch sein. Ich ertrage den Gedanken nicht, Wochen und Monate von Euch getrennt zu sein. Ich ertrug es vorher nicht, und jetzt ... jetzt wäre es mein Tod.«
    Henri legte eine väterlich-überhebliche Miene auf. »So schnell stirbt man nicht, mon petit.« Um endgültig die Oberhand zu gewinnen, fügte er affektiert hinzu. »Ich hasse Gefühlsausbrüche wie diese, du tätest gut daran, dir das zu merken, im Falle, dass du diese Begegnung wiederholen möchtest. Sie sind so furchtbar ermüdend.«
    Vincent wurde blass. Er schwieg eine ganze Weile, und als er endlich zu sprechen begann, klang seine Stimme belegt. »Habt Ihr solche Angst, dass Ihr blindwütig um Euch schlagt? Das ist unter Eurer Würde, Euer Gnaden. Ihr erniedrigt nicht mich, sondern Ihr erniedrigt Euch selbst.« Er erhob sich vom Bett und nahm seine Sachen, die er auf einen Hocker gelegt hatte.
    Henri beobachtete ihn und wartete darauf, dass sich Zufriedenheit einstellte, denn er hatte sein Ziel erreicht, Vincent zum Gehen zu bewegen und gleichzeitig die Abfuhr wegen Versailles hinzunehmen. Doch alles, was er fühlte, war eine jähe Kälte, da sich Vincents Körper nicht mehr an den seinen schmiegte.

29
 
    Elaine blickte auf die beiden Truhen, die die Lakaien gerade aus ihrem Zimmer trugen. Mehr besaß sie nicht. Henri hatte ihr versichert, dass sie sich bei den Schneidern von Versailles neu einkleiden durfte.
    Sie trug bereits ein bequemes Reisekostüm und sah sich ein letztes Mal in dem Zimmer um, das für ein paar Wochen ihr Heim gewesen war. Ohne dass sie es begründen konnte, hatte sich die Aufregung und die damit verbundene Vorfreude über ihre Reise gelegt. Die Sehnsucht, die allein das Wort Versailles in ihr ausgelöst hatte, war verschwunden. Stattdessen fühlte sie beinahe Widerwillen, die Tür hinter sich ins Schloss zu werfen und sich zu der Kutsche zu begeben.
    »Ich wünsche Euch eine gute Reise, Mademoiselle Callière.« Sandrine knickste mit gesenktem Kopf. Die Zofe blieb auf Belletoile, in Versailles sollte ein Mädchen für Elaine engagiert werden, das sich mit den Sitten und Gebräuchen am Hof und der gängigen Mode auskannte.
    »Danke.« Elaine raffte die Röcke und verließ das Zimmer. Außer den Dienstboten begegnete ihr niemand auf ihrem Weg zur Cour d'Honneur, wo gerade die Truhen verladen wurden. Sie sah sich ratlos um, doch Henri war nirgends zu entdecken. Und nach Troy zu suchen erübrigte sich, schließlich hatte er sich ja bereits am Vortag verabschiedet.
 
    Henri starrte in den Spiegel, der ihm die übliche Maske des Herzogs von Mariasse zeigte. Niemand würde die dunklen Ringe unter seinen Augen oder die tiefen Falten zwischen Nase und Mund unter der dicken Schminke erkennen können.
    Etienne erledigte die letzten Handgriffe vor der Abreise. Mit einer Verbeugung trat er näher. »Ich begebe mich zur Kutsche und überwache das Verladen des kleinen Gepäcks, Euer Gnaden.«
    »Tu das, ich komme gleich nach.« Henri seufzte. Nach Versailles zu reisen und Belletoile alleine zu lassen hatte ihm im Grunde seines Herzens noch nie behagt. Aber heute empfand er einen derartigen Widerwillen, dass er sich am liebsten mit den Blattern oder der Spanischen Grippe angesteckt hätte, um hier bleiben zu können.
    Als er aufstand, schienen an seinen Beinen Bleigewichte zu hängen. Schwerfällig ging er zur Tür und drückte die Klinke. Er straffte seine Schultern, um den Dienstboten auf den Fluren das übliche Bild von Autorität und Arroganz zu bieten. An der Treppe angekommen, zögerte er kurz und wandte sich dann zum anderen Flügel. Vor Vincents Tür blieb er stehen und atmete tief durch. Er konnte nicht ohne Abschied gehen. Nicht nach dem, was gestern Nacht geschehen war. Hätte er nur die Kraft besessen, Vincent einfach hinauszukomplimentieren, statt ihn zu verführen. Oder sich von ihm verführen zu lassen. Was objektiv betrachtet eher den Fakten entsprach.
    Gleich nach Vincents Geständnis, wer er war und warum er hergekommen war, hätte er dem Ganzen einen Riegel vorschieben sollen und ihn bitten, ihm befehlen sollen, Belletoile zu verlassen. Weil er es nicht getan hatte, musste er jetzt für diesen Fehler bezahlen. Nicht nur mit den nagenden Vorwürfen seines Gewissens, sondern auch mit der

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