Die Nächte der Aphrodite
gelassen hatte. Das jetzt zutage tretende Drama war ihm völlig entgangen. Aber natürlich passte es zu Henri, dass er den Jungen ins Bett gezerrt hatte, ohne sich über die Folgen Gedanken zu machen. Vermutlich brauchte Vincent Geld, um nach Hause zurückzukehren, und Henri hatte vergessen, ihn für seine Dienste zu entlohnen. Das sah dem Herzog ähnlich - immer den Kopf gefüllt mit Fragen zu seiner Garderobe, zu seinem Schuhwerk und zu seinen Perücken. Da blieb kein Platz, sich mit den Problemen anderer zu beschäftigen.
Er wollte Vincent gerade anbieten, ihm auszuhelfen oder ihn ein Stück mitzunehmen, als er merkte, dass Tränen über die glatten Wangen rannen.
»Er liebt mich. Verdammt«, presste Vincent heraus. »Er liebt mich, er weiß es nur noch nicht.« Seine Worte erstickten in heftigem Schluchzen. Er presste die Handballen gegen seine Augen, und seine Schultern zuckten krampfhaft.
Troy hatte Mühe, die Fassung zu bewahren. Auf die Idee, dass es um etwas anderes als Geld gehen könnte, wäre er nie gekommen. Er hatte sich immer vorgestellt, dass Männer wie Henri einfach ihre Triebe befriedigten, weil sie nicht anders konnten. Im Austausch gegen Geld, Beziehungen oder sonstige Güter. Dass dabei Gefühle im Spiel sein sollten, dass Vincent sich die Seele aus dem Leib heulte, weil er Henri liebte, stellte sein gesamtes Weltbild auf den Kopf.
Sein eigenes Herz schrie nach Elaine, deshalb konnte er nachvollziehen, wie der Schmerz Vincent zerriss. Er schob alle Abneigung beiseite, die er gegen schwule Männer empfand, und setzte sich neben ihn, um zögernd seinen Arm um ihn zu legen. Der gemeinsame Schmerz über die verlorene Liebe knüpfte ein Band, das stärker war als alles andere.
Vincent hörte weder auf zu schluchzen noch reagierte er auf Troys unbeholfene Tröstungsversuche. Also blieb Troy einfach neben ihm sitzen und streichelte seinen Rücken. Er hing seinen eigenen Gedanken nach, versuchte zu überlegen, wie die nächsten Schritte aussehen würden, um sein Leben weiterzuleben. Ob er nach La Mimosa zurückkehren sollte, wie es die Vernunft gebot. Oder ob er seine Überzeugung und seinen Stolz kurzerhand einer vagen Hoffnung opfern und der Kutsche nach Versailles folgen sollte. Elaine hatte ihm gesagt, dass sie die Chance ergreifen wollte, um an den Hof des Königs zu kommen. Ihr Motiv war Neugier, aber nicht die Suche nach einem Ehemann. Was natürlich nicht bedeutete, dass sie keinen finden konnte ...
Er seufzte und nahm den Arm von Vincents bebendem Rücken. Nach den Erzählungen seines Bruders hatte er niemals Sehnsucht empfunden, Versailles zu sehen. Es gab dort nichts, was ihn zu einem Besuch verlocken konnte. Besser gesagt, es hatte dort nichts gegeben, was ihn zu einem Besuch bewegen konnte. Aber mit dem heutigen Tag war das anders geworden.
Der Schmerz in seiner Brust wich einer wohligen Wärme, als er die Entscheidung getroffen hatte. Elaine war die Liebe seines Lebens, dafür konnte er weit mehr als seine Überzeugung und seinen Stolz opfern. Er würde nach La Mimosa reiten und alles für eine längere Abwesenheit regeln. Richard de Varellac oder ein anderer Nachbar würde ihm bestimmt mit Rat und Tat zur Seite stehen. Dann konnte er nach Versailles gehen und weiter um Elaine werben. Ihr einmal mehr beweisen, dass Marie keine Gewalt über ihn hatte und dass er willens war, ihr alles zu geben, was in seiner Macht stand. Dass er sie liebte wie noch keinen anderen Menschen vorher. Die Zuversicht, die ihn bei diesen Gedanken erfasste, machte sein Herz weit. Er würde um Elaine kämpfen. Mit Worten und mit Taten. Er würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, denn diese Frau zu erringen war jedes Opfer wert.
Ein Geräusch riss ihn aus den Gedanken, und er sah auf. Die herzogliche Equipage ratterte über das Kopfsteinpflaster und blieb vor der Freitreppe stehen.
Troy erhob sich. Sein Herz hämmerte in der Brust, und sein Mund war trocken. Er wagte nicht, zu hoffen.
Der Wagenschlag schwang auf. Mit brennenden Augen verfolgte Troy, wie Elaine über das heruntergeklappte Treppchen die Kutsche verließ. Sie kam auf ihn zu, der breitkrempige Hut beschattete ihr Gesicht, deshalb konnte er den Ausdruck darauf nicht erkennen. Sie rannte nicht, sie ging nicht einmal besonders eilig, und der winzige Funke an Hoffnung erstarb.
Troy stieg die letzten Stufen der Treppe hinab, um ihr entgegenzukommen. Stumm blickte er sie an, als sie vor ihm stehen blieb. Elaine legte den Kopf leicht in den
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