Die Nächte der Aphrodite
auch der Rest seiner Kleidung wirkte in dem eleganten Rahmen reichlich deplatziert. Er sah sich um und ging dann zielstrebig auf Elaine zu.
Als sie ihn erkannte, hätte sie beinahe das Glas fallen lassen. Aber da stand er bereits vor ihr, und in seinen grauen Augen wetterleuchtete es.
21
Troy kämpfte heldenhaft darum, nicht völlig die Beherrschung zu verlieren. Da hatte er sich nach qualvollen Kämpfen mit seinem vernünftigen Ich dazu überwunden, Belletoile aufzusuchen, um mit Elaine zu sprechen. Ganz im Klaren, worüber er eigentlich mit ihr sprechen wollte, war er sich nicht. Er wusste nur, dass er mit ihr reden musste.
Doch in dem Moment, als er den Saal betreten hatte, verließen ihn alle sorgsam vorbereiteten Floskeln auf Nimmerwiedersehen. Die Realität erwies sich schlimmer als alle seine Mutmaßungen. Auf dem Parkett trieben es mehrere Paare miteinander - wobei der Begriff Paar hier eine neue Dimension bekam. Damit nicht genug, lagen Kleidungsstücke, Schuhe, Perücken herum, von den sie zum Teil befleckenden Substanzen ganz zu schweigen. Aus den angrenzenden Zimmern drangen Laute an sein Ohr, die vermuten ließen, dass man dort ebenfalls fleischlichen Gelüsten frönte.
Und inmitten dieses Südenpfuhls stand Elaine in einem Gewand, das ihren Körper umschloss wie ein Handschuh. Jeder der Anwesenden konnte den Anblick genießen. Seine rechte Hand ballte sich zu einer Faust, und er richtete seinen Blick auf Elaines Gesicht.
Sie stand so ruhig wie eine Statue. Ihre blassgrünen Augen erwiderten seinen Blick ohne erkennbare Gefühlsregung. Weder Freude noch Erstaunen, aber auch keine Wut spiegelte sich darin.
Er suchte nach Worten, doch ehe er etwas sagen konnte, wurde er am Arm gepackt und weggezerrt. Völlig aus dem Konzept gebracht, ließ er sich zur Tür befördern. Erst, als sie vor dem Ballsaal standen, riss er sich aus dem festen Griff des Herzogs los.
»Was fällt Euch ein, mich so zu behandeln, Henri?«, fuhr er ihn an.
»Und was fällt Euch ein, einfach mein Haus zu betreten? Ich kann mich nicht erinnern, eine Einladung ausgesprochen zu haben. Wir waren keine Freunde, und wir sind keine Freunde, Troy.« Die Stimme des Herzogs klirrte vor Kälte.
Troy verschränkte die Arme vor der Brust. »Habe ich Euch jemals eingeladen, mein Haus zu betreten? Das hat Euch nicht gehindert, also warum sollte es mich hindern. Außerdem komme ich nicht zu Euch. Ich komme zu Elaine.«
»Natürlich kommt Ihr zu Elaine, darum habe ich Euch schleunigst aus ihrer Nähe entfernt. Das ist ihre Nacht, ihr Auftritt, und den werdet Ihr nicht kaputt machen.«
»Ihre Nacht, was soll das heißen? Zu welchen abartigen Spielen habt Ihr sie gezwungen?« Er machte einen Schritt auf den Herzog zu, der ihn unbeeindruckt ansah.
»Ihr kennt Elaine schlecht, wenn Ihr glaubt, dass man sie zu etwas zwingen kann. Sie ist die Zeremonienmeisterin der Nächte der Aphrodite.«
»Die Nächte der Aphrodite? Ist das der Namen für diese ... diese Orgie?«, fragte Troy fassungslos.
»Ganz richtig, und Elaine inszeniert diese Orgie. Deshalb ist es ihre Nacht, und ich werde verhindern, dass Ihr ihren verdienten Erfolg zunichte macht. Ich begleite Euch zur Tür, Troy. Wenn Ihr dem Pferd die Sporen gebt, schafft Ihr es noch vor dem Morgengrauen nach La Mimosa.« Henri griff wieder nach Troys Arm.
Troy grub die Absätze seiner Stiefel in den Teppich und sah den Herzog trotzig an. »Ich muss mit Elaine reden. Dann gehe ich.« Seine Kiefer mahlten aufeinander, ehe er die nächsten Worte widerwillig herauspresste. »Gewährt mir diese Bitte. Dann seht Ihr mich nicht wieder.«
Henri schwieg, seine Hand hielt noch immer Troys Oberarm fest. Sein maskenhaft geschminktes Gesicht erschien Troy in diesem Augenblick wie eine Fratze aus einem Albtraum, der plötzlich wahr geworden war. Wenn Henri ihn aus dem Haus warf, dann konnte er nichts dagegen unternehmen. Dass er vollkommen auf den guten Willen eines von ihm verabscheuten Mannes angewiesen war, behagte ihm gar nicht.
Das Schweigen zerrte ebenso an seinen Nerven, wie der erstaunlich feste Griff des Herzogs. Troy hätte nie gedacht, dass er seinen Standpunkt mit roher Gewalt durchsetzen könnte. Dass sich hinter Seide, Brokat und Puder kräftige Muskeln verbargen. Er unterdrückte den Impuls, seine Bitte zu wiederholen. So weit würde er sich nicht demütigen. Er würde nicht um die Gunst des Herzogs flehen. Dann musste es eben einen anderen Weg geben, um sein Ziel zu erreichen. Er straffte
Weitere Kostenlose Bücher