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Die Narben der Hoelle

Die Narben der Hoelle

Titel: Die Narben der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. Dieter Neumann
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sah, dass Jamal immer noch regungslos an derselben Stelle stand.
    Was war nur los mit ihm?
    Jamal war immer zuverlässig gewesen, voller Stolz darauf, Führer einer der gefährlichsten Privatarmeen Afghanistans zu sein. Viele Jahre lang hatten sie Seite an Seite gekämpft. Kalakani wusste genau, dass jeder Mensch hier im Norden seinen Namen kannte. Jeder fürchtete Oberst Jamal und seine bis an die Zähne bewaffnete Miliz. Jetzt stand dieser Mann da, ängstlich beobachtet von einem seiner Kämpfer, starrte vor sich hin und schluckte den Staub der davonfahrenden Wagenkolonne.
    Ich würde jetzt gern seinen Gesichtsausdruck sehen, dachte der mächtige Mann versonnen. In seine Augen blicken.
    Aber sie waren schon zu weit weg. Niemand konnte Jamal jetzt in die Augen sehen.
    Die Staubwolke hatte ihn vollständig eingehüllt.
    Im Wagen herrschte tiefes Schweigen.
    Der Warlord fragte sich wieder einmal, ob er an alles gedacht und alles getan hatte, um seine Stellung abzusichern. Man musste auf der Hut sein, auch vor den eigenen Leuten. Auch die waren nicht gefeit gegen die allfällige Korruption im Land.
    Der kleine Zwischenfall eben hatte ihn nicht wirklich aus der Ruhe gebracht. Dennoch fragte er sich, was wohl passiert wäre, wenn eine der deutschen Patrouillen gerade dann vor dem Lager aufgetaucht wäre, als das Tor offen stand.
    Sicherlich wären die Besatzungssoldaten, die alles ausspionierten, was sich in ihrem Einsatzgebiet befand, in das Lager hineingefahren. Nicht auszudenken, was sie dort alles hätten fotografieren und dokumentieren können!
    Und alle diese Aufklärungsergebnisse, das wusste er, landeten schließlich bei den eigentlichen Feinden Afghanistans, den Feinden aller Muslime, bei den verfluchten Amerikanern. Die waren auch die Hauptverantwortlichen für alle Schmach, die ihm und seinen Landsleuten jetzt zugefügt wurde. Sie hatten die Ungläubigen in aller Welt dazu angestachelt, seinem Land mit Waffengewalt ihre falschen Ideale, ihre so genannte Demokratie und ihre gottlose Lebensweise aufzuzwingen.
    Er blickte noch einmal auf seine Uhr. Noch ungefähr eine Stunde, dann wäre er zu Hause. Sayed, sein erwachsener Sohn, würde schon ungeduldig darauf warten, dass sein Vater ihm von der heutigen Inspektionsfahrt erzählte. Es war Kalakanis größte Freude, dass Sayed bald so weit war, ihm einen Teil der Arbeit abzunehmen.
    Ja, schwor sich der Warlord, gemeinsam mit seinem Sohn würde er schon dafür sorgen, dass die bewährten Herrschaftsstrukturen in Afghanistan immer noch existierten, wenn die fremden Mächte ihre Soldaten, entmutigt von der Aussichtslosigkeit ihrer Mission, wieder abziehen würden.
    Und dieser Tag nahte!
    Es galt jetzt, so lange klug und entschlossen zu handeln, bis die lästigen Eindringlinge wieder fort waren aus seinem Land.
    Allah war auf seiner Seite in diesem Kampf für die gerechte Sache.
    In der Abenddämmerung kamen sie zu Hause an.
    Das stattliche Anwesen lag ungefähr dreißig Kilometer nordwestlich von Kunduz in den Bergen auf einem Plateau mit ausgezeichneter Sicht über das gesamte weite Flusstal. Eine Feldsteinmauer umschloss das große Haupthaus mit Flachdach und einige Nebengebäude, die in größerem Abstand davon errichtet waren. Nur ein einziger schmaler Schotterweg, stets gut unterhalten, führte von dem kleinen Dorf am Fuße des Plateaus bis hinauf zum Tor. Ein Postenhäuschen, das ständig mit zwei bewaffneten Wachen besetzt war, stand unten am Anfang des Zufahrtsweges. Weitere Wachen waren im Torhaus und auf drei Plattformen verteilt, die auf die Mauerecken aufgesetzt waren.
    Der Geländewagen, inzwischen über und über mit gelbbraunem Staub bedeckt, hielt ein paar Meter hinter dem vorausfahrenden Toyota vor dem Tor in der hohen Mauer aus Feldsteinen.
    Kalakani war müde geworden. Ein anstrengender Tag.
    Doch diese Anstrengungen waren notwendig, das hatte er heute wieder feststellen müssen.
    Die Wachen öffneten die beiden Flügel des massiven Holztores und traten respektvoll zur Seite. Die Fahrzeuge fuhren in den Innenhof, wo der Toyota stehen blieb, um den Wagen des Fürsten vorbei zu lassen. Der hielt direkt vor dem Eingang zum Haupthaus. Mit einem Sprung war Hashmat aus dem Wagen und öffnete die rechte Fondstür.
    Wortlos, aber mit einem leichten Lächeln im Gesicht nickte der Hausherr seinem Bodyguard kurz zu. Dann verschwand er mit raschen Schritten im Gebäude.
    Sayed wartete sicher schon auf ihn.

4
September
Türkei
    Johannes erzählte.
    Er saß, das

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