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Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen

Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen

Titel: Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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in den Fall verwickelt ist, weiß er, dass gewisse Entscheidungen getroffen werden müssen. Zum Beispiel: soll er sich weiter an Black halten oder seine Aufmerksamkeit der Frau zuwenden? Das könnte möglicherweise die Dinge ein wenig beschleunigen, aber gleichzeitig könnte es bedeuten, dass Black die Gelegenheit erhielte, ihm zu entkommen, vielleicht für immer. Mit anderen Worten, ist die Begegnung mit der Frau vielleicht ein Tarnmanöver? Ist sie ein Teil des Falles oder nicht, ist sie eine wesentliche oder eine zufällige Tatsache? Blue denkt eine Weile über diese Fragen nach und kommt zu dem Schluss, dass es zu früh ist, etwas zu sagen. Ja, es könnte das eine sein, sagt er sich. Aber es könnte auch das andere sein.
    Als etwa die halbe Mahlzeit vorüber ist, scheint sich die Lage zum Schlechteren zu wenden. Blue bemerkt, dass Black die Frau tieftraurig anschaut, und ehe er es sich versieht, scheint die Frau zu weinen. Jedenfalls schließt Blue das aus der plötzlichen Veränderung ihrer Körperhaltung. Sie lässt die Schultern hängen und senkt den Kopf, bedeckt das Gesicht mit den Händen, ein leichter Schauder läuft ihr über den Rücken. Sie könnte auch einen Lachanfall haben, sagt sich Blue, aber warum würde Black dann so elend dreinsehen? Er sieht so aus, als hätte man ihm gerade den Boden unter den Füßen weggezogen. Die Frau wendet das Gesicht von Black ab, und Blue sieht sie kurz im Profil: Zweifellos Tränen, denkt er, als er beobachtet, wie sie ihre Lider mit einer Serviette betupft, und einen Fleck nasser Wimperntusche auf ihrer Wange glänzen sieht. Sie steht mit einem Ruck auf und geht zur Toilette. Blue hat wieder eine unbehinderte Sicht, und als er diese Traurigkeit in Blacks Augen sieht, diese völlige Niedergeschlagenheit, beginnt er ihm beinahe leidzutun. Black starrt in Blues Richtung, aber er sieht offensichtlich nichts, und dann schlägt er im nächsten Moment beide Hände vors Gesicht. Blue versucht zu erraten, was vorgeht, aber es ist unmöglich, es zu wissen. Es hat den Anschein, dass es zwischen den beiden aus ist, denkt er, es fühlt sich an, als wäre etwas zu Ende gegangen. Und doch, es konnte trotz allem nur ein Streit sein.
    Die Frau kehrt an den Tisch zurück und sieht ein wenig besser aus. Die beiden sitzen einige Minuten da, ohne etwas zu sagen, und rühren die Speisen nicht an. Black seufzt ein- oder zweimal und blickt ins Leere, und schließlich lässt er die Rechnung kommen. Blue bezahlt ebenfalls, und dann folgt er den beiden aus dem Restaurant hinaus. Er sieht, dass Black seine Hand auf ihren Arm gelegt hat, aber das kann auch nur ein Reflex sein, sagt er sich, und bedeutet wahrscheinlich nichts. Sie gehen schweigend die Straße hinunter, und an der Ecke winkt Black ein Taxi heran. Er öffnet der Frau die Tür, und bevor sie einsteigt, berührt er sehr sanft ihre Wange. Sie antwortet mit einem tapferen kleinen Lächeln, aber die beiden sagen noch immer kein Wort. Sie setzt sich auf den Rücksitz, Black schließt die Tür, und das Taxi fährt davon.
    Black geht ein paar Minuten hin und her, bleibt kurz vor dem Schaufenster eines Reisebüros stehen, um ein Plakat der White Mountains zu betrachten, und steigt selbst in ein Taxi. Blue hat wieder Glück und findet Sekunden später ein anderes Taxi. Er gibt dem Fahrer die Weisung, Blacks Taxi zu folgen, und dann lehnt er sich zurück, während sich die beiden Wagen langsam ihren Weg durch den Verkehr des Geschäftsviertels bahnen, über die Brooklyn-Brücke fahren und schließlich in der Orange Street ankommen. Blue ist entsetzt über den Fahrpreis und ärgert sich über sich selbst, weil er nicht der Frau gefolgt ist. Er hätte wissen müssen, dass Black nach Hause fährt.
    Seine Stimmung hebt sich beträchtlich, als er sein Haus betritt und einen Brief in seinem Briefkasten findet. Das kann nur eines sein, sagt er sich, und tatsächlich, als er die Treppe hinaufgeht und den Umschlag öffnet, ist er da: der erste Scheck, eine Postanweisung, genau auf den Betrag ausgestellt, den er mit White vereinbart hat. Er findet es jedoch ein wenig verwirrend, dass die Zahlungsweise so anonym ist. Warum nicht ein persönlicher Scheck von White? Das führt Blue dazu, mit dem Gedanken zu spielen, dass White vielleicht doch ein abtrünniger Agent ist, der seine Spuren verwischen und daher sichergehen will, dass die Zahlungen nirgends aufscheinen. Blue legt Hut und Mantel ab und streckt sich auf dem Bett aus, und es wird ihm bewusst,

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