Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Titel: Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
Vom Netzwerk:
schon noch herausfinden, wo sie sich befanden. Deshalb fragte er: »Und? Hast du dein Glück gefunden?«
    »Der Imbissstand reicht kaum, mich zu ernähren, geschweige denn meine Familie. Ist echt schwer. Also handle ich nebenbei ein wenig.«
    »Und womit handelst du, wenn ich fragen darf?«
    »Dies und das. Gebrauchte Streitwagen gehen derzeit hervorragend. Ich lege sie immer ein bisschen tiefer, sieht echt klasse aus. Außerdem Recycling-Pfeile und eingeworfene Steine.«
    »Und was sind Recycling-Pfeile und eingeworfene Steine?«, wollte Seshmosis wissen.
    »Recycling-Pfeile sind Pfeile, die schon einmal abgeschossen wurden. Und mit den eingeworfenen Steinen verhält es sich ähnlich, sie wurden schon einmal geworfen.«
    »Ah! Du meinst Pfeile und Steine, die ihre Ziele verfehlten?«
    »Nein, im Gegenteil. Pfeile und Steine, die gut getroffen haben und im Ziel stecken oder daneben liegen.«
    Seshmosis verstand immer noch nicht.
    »Wie kommst du an die Sachen, hier mitten in der Wildnis?«
    »Wildnis? Welche Wildnis? Ihr seid wirklich fremd in der Troas. Diese Wildnis ist seit langem eine Fundgrube für militärische Ausrüstung. Hier tobt seit zehn Jahren der grausamste Krieg, den die Erde je gesehen hat. Nach jeder Schlacht liegt hier massenweise Zeug herum. Nur von den Rüstungen musst du die Finger lassen, da reagieren die Achäer und die Trojaner echt heftig.«
    »Nostr'tut-Amus hatte Recht«, bemerkte Seshmosis.
    »Wer ist dieser Nostruzmus?«, fragte Mursil.
    »Nostr'tut-Amus ist ein Freund von uns. Und er ist ein Seher.«
    »Sind noch mehr von euren Freunden hier?«
    »Ja doch. Wir sind mit einem Schiff gelandet. Meine Freunde wollen Handel treiben«, antwortete Seshmosis.
    »Handel klingt gut. Bring deine Freunde doch beim nächsten Mal mit.«
    »Gerne, Mursil. Aber vielleicht könntest du mir vorher erzählen, was in dieser Gegend eigentlich los ist?«
    »Ganz genau weiß ich das auch nicht. Vor zehn Jahren landete einige Meilen nördlich von hier eine riesige Flotte der Achäer. Man sagt, Paris, der Sohn des Königs Priamos von Troja, habe Menelaos, dem König von Sparta, die Gattin geraubt, die schöne Helena, und den größten Teil seines Goldes dazu. Weil alle Achäer durch irgendwelche Beistandsabkommen zur gegenseitigen Hilfeleistung verpflichtet sind, kamen sie unter dem Oberkommando von Agamemnon, dem König von Mykene, hierher, um die Frau und das Gold zurückzufordern. Aber Helena wollte nicht zu ihrem Gemahl zurück, und das Gold sieht sie wohl als eine Art Abfindung und will es auch nicht herausgeben. Deshalb schlagen sich Achäer und Trojaner samt ihren Hilfskräften seit zehn Jahren gegenseitig die Schädel ein. Vor ein paar Tagen fiel Achilleus, der größte Held der Achäer, und nach den Leichenspielen zu seinen Ehren kam es irgendwie zum Streit. Der Hüne, der vorhin die Schafe gemetzelt hat, ist Aias der Große. Der kommt oft zu mir, um ein Gyros zu essen. Dem müssen heute die Götter die Sinne total verwirrt haben. Sonst ist er eigentlich ganz umgänglich.«
    Seshmosis schwirrte der Kopf, aber immerhin besaß er nun eine ungefähre Vorstellung von dem, was in dieser Gegend los war: ein furchtbarer Krieg.
    »Könnte ich bitte noch eine Portion von dem gedrehten Lamm haben?«, fragte Mumal.
     
    *
     
    Aias schleifte den vermeintlichen Odysseus in sein Zelt, wo er ihn an den Armen am zentralen Mast aufhängte. Der immer noch bewusstlose Widder hing schlaff, an den Vorderbeinen gefesselt, am Pfosten, während Aias wie von Sinnen dessen Rücken peitschte. Und von Sinnen war er ja auch. Bis die Göttin Athene von hinten an ihn herantrat und seinen Kopf berührte. Augenblicklich fiel der Wahnsinn von Aias ab, und er starrte entgeistert auf den blutigen Rücken des armen Schafbocks. Als er erkannte, was man ihm angetan hatte, brach er in lautes Klagen aus.
    »Wehe mir! Warum hassen mich die Unsterblichen, dass sie mir dies antun? Hier stehe ich, mit unschuldigem Lämmerblut besudelt, blamiert vor dem ganzen Heere, das Gespött meiner Feinde. Wehe mir, den die Götter in solche Schande getrieben!«
    Dann durchschnitt er die Kehle des Widders, um ihn von seinem Elend zu erlösen, und verließ mit gesenktem Haupt sein Zelt. Er achtete nicht auf die Krieger, die ihn von allen Seiten anriefen; seine Schritte führten ihn ohne sein Zutun zum Strand. Manch einer von denen, die ihn aufhalten wollten, empfing einen mächtigen Schlag und ging zu Boden, sodass es bald keiner mehr wagte, Aias dem Großen

Weitere Kostenlose Bücher